Trekking auf dem Annapurna Circuit im Februar – 12 Tage im winterlichen Himalaja in Nepal

Hans auf dem Annapurna Circuit in Nepal im Februar 2022

Diesen Blogbeitrag widme ich voll und ganz meinem Trek auf dem Annapurna Circuit in Nepal, den ich im Februar 2022 bewältigt habe. Außerdem gebe ich Tipps für diejenigen, die selbst vorhaben, im Februar oder Winter durchs Himalaja-Gebirge zu wandern.

Wer sich nicht für die Wanderung durch den Himalaja im Detail interessiert, kann gerne durch die Bilder scrollen, zum Fazit oder direkt zum nächsten Blogpost springen, in dem ich von meiner Weiterreise nach Indien erzähle.

Inhaltsverzeichnis

Vorbereitungen

Am 20. Februar 2022 sollte mein Trek durch den Himalaja beginnen. Ich entschied mich für den beliebten Annapurna Circuit – ein Rundwanderweg um das Annapurna-Gebirge herum, der mit seiner abwechslungsreichen und atemberaubenden Landschaft eine der schönsten Routen durch den Himalaja sein soll.

Die gesamte Strecke ist in etwa 14 bis 18 Tagen zurückzulegen. Highlight ist der Thorong La-Pass, mit 5.416 Metern einer der höchsten Bergpässe der Welt. Die erste Hälfte des Treks führt stetig bergauf; nach dem Pass geht es wieder steil nach unten. Im Winter ist der Pass durch hohen Schnee oft unpassierbar und dazu durch Lawinen- und Blizzardgefahr unter Umständen gefährlich. Deshalb entschied ich mich dafür, einen Guide anzuheuern.

Da der Trek am Anfang und Ende entlang einiger Straßen führt, sind der Start- und Endpunkt variabel. Es lohnt sich, einige Blogs zu konsultieren und anhand der Bilder zu entscheiden, welche Teile man wandern und welche man mit einem Bus oder Jeep zurücklegen möchte. Für mich war unter anderem dieser Blog sehr hilfreich.

Unser nach zwölf Tagen zurückgelegter Weg. Wir haben am Ende einige Teile entlang der Straße ausgelassen.

Guide – ja oder nein?

Neben der Gefahr auf dem Thorong La-Pass im Februar entschied ich mich für einen Guide, da dies mein allererster Trek war. Mehrtägiges Wandern in solchen Höhen stellte eine neue Erfahrung für mich dar – und vor allem in höheren Gefilden war ich sehr froh über meinen Guide namens Saroj. Zudem ist mein Orientierungssinn nicht der beste und ich fürchtete, mich ohne Guide wie üblich zu verirren.

Oktober und November sind die beliebtesten Reisemonate in Nepal, März und April gehören zur zweiten Saison. In diesen Hochsaisons ist es aufgrund der vielen anderen Wanderer nicht zwingend notwendig, einen Guide zu buchen. Mit etwas Vorbereitung, einer Karte und dem gelegentlichen Blick darauf sollten die Wege gut zu finden sein. Dann ist ein guter Guide eher ein zusätzlicher Luxus auf der Reise, da er mit den lokalen Einwohnern spricht, die besten Unterkünfte kennt und sich um die Wünsche der Trekker wie beispielsweise die Essensbestellung kümmert.

Die passende Begleitung

Ich wollte nicht alleine mit Saroj reisen, also verschickte ich zahlreiche Nachrichten auf Workaway und postete meine Pläne in diversen Facebook-Gruppen in der Hoffnung, Mitstreiter zu finden. Tatsächlich hatte ich auch drei Interessierte gefunden, doch alle sagten mir kurz vorher aus triftigen Gründen wieder ab. Darunter mit Viktoria eine Deutsche, die ich dafür später in Indien wiedertreffen sollte, doch dazu mehr im nächsten Blogbeitrag.

Drei Tage vor dem Start entdeckte schließlich David mein Inserat – ein 49-jähriger Brite, der gerade in Nepal gelandet war und ebenfalls nach Wandergefährten suchte. Wir trafen uns in Pokhara, die Chemie stimmte, und so machten wir uns am 20. Februar schließlich gemeinsam mit einem frühen Bus von Pokhara auf den Weg nach Besisahar, dem standardmäßigen Startpunkt des Annapurna Circuits.

Auf dem Trek sollten wir weitere Mitwanderer treffen, doch davon lest ihr später.

Körperliche Vorbereitungen

Durch meine Reisen durch das kalte Nepal und meine Covid-Erkältung hatte ich eine Trainingspause von etwa anderthalb Monaten einlegen müssen. Einen Monat vor dem Trek startete ich wieder meine Workouts und konzentrierte mich mit der Freeletics-App etwas mehr auf Konditionierung und Beintraining.

Vier Wochen lang trainierte ich jeden zweiten Morgen meinen Unterkörper mit verschiedenen Beinübungen wie Kniebeugen und Lunges sowie deren Spring-Versionen, Burpees, verschiedenen Sprüngen und einigen Po-Übungen. Die anderen Tage widmete ich dem Oberkörper, dem Bauch, meinem Rücken (unterer und oberer), um fit für das Rucksacktragen zu sein.

Außerdem lief ich sehr viel durch Pokhara und erreichte jeden Tag mindestens 10.000 Schritte, gewürzt durch ein paar kleinere Wanderungen bergauf.

Entsprechend hatte ich später bei der Wanderung keinerlei Probleme beim Bergsteigen. Dieses Training ist aber nicht zwingend nötig: David als auch andere Trekker, die wir trafen, starteten den Annapurna Circuit ohne weitere physische Vorbereitungen, und auch sie haben alle den Trek geschafft.

Dennoch empfehle ich, sich vor dem Trek in Form zu bringen, da es einfach ein schöneres Gefühl ist, die Aussicht mit noch etwas Restluft in den Lungen und nicht ganz so brennenden Beinen zu genießen.

Ausrüstung – Was gehört in den Rucksack?

Der Rucksack sollte mit aller Ausrüstung so leicht wie möglich sein – bestenfalls unter 10 Kilogramm (ohne Wasser). Mein Rucksack wog etwa 13 kg und war viel zu schwer. Vor allem nach einigen Tagen merkte ich sein Gewicht immer stärker, sodass er sich zur Hauptstrapaze für mich auf der Wanderung entwickelte.

Hier meine empfohlene Packliste für den Annapurna Circuit im Februar:

Kleidung

  • wasserfeste und eingelaufene Wanderschuhe
  • drei bis vier Paar Wandersocken
  • drei bis vier Unterhosen
  • eine lange Unterhose (Thermo)
  • zwei langärmelige Thermo-Unterhemden
  • zwei T-Shirts
  • ein dünnerer Pullover
  • eine Fleece-Jacke
  • eine Trekkinghose
  • eine dünnere Hose für die Unterkünfte (getragen mit langer Unterhose)
  • eine Daunenjacke – Diese habe ich mir in Pokhara für 100 Rupien pro Tag geliehen. Sie sollte für minus 20 Grad geeignet sein. Tagsüber hatte ich sie nur bei der Passüberquerung gebraucht, aber sie ist abends in kalten Teehütten Gold wert.
  • eine dünne Regenjacke, die notfalls als Wind- und Regenschutz über der Daunenjacke getragen werden kann
  • eine Mütze
  • ein Paar dicke und wasserfeste Handschuhe
  • optional: ein dünnerer Sonnenschutz wie ein Sonnenhut oder Cappie

Selbst im Februar wurde es tagsüber in der Sonne beim Trekken sehr warm, sodass ich oft nur die Thermo-Unterhemden ohne weitere Schicht trug – vor allem in den niedrigeren Höhenlagen. Die T-Shirts sind eher für die Aufenthalte in den Hütten gedacht. Normalerweise wäscht man seine Kleidung jeden oder jeden zweiten Abend und lässt sie während des Wanderns auf dem Rucksack trocknen. Es sei denn, man möchte von Anfang an strenger riechen.

Ausrüstung

  • schnelltrockenes Handtuch
  • zwei Wanderstöcke – Sie sind zwar optional, aber ich war sehr froh, sie zu haben! Sie schonen die Knie, helfen beim Aufstieg und retteten sogar einem dänischen Mitwanderer von uns das Leben, als er an einem Hang abrutschte und Stabilität fand, indem er die Wanderstöcke ins Eis rammte. In Pokhara kaufte ich ein gutes Paar für insgesamt 1.500 Rupien. David hatte ein billigeres Paar erworben, beide seiner Stöcke brachen jedoch im Laufe der Strapazen.
  • eine Wasserflasche (wer Gewicht sparen möchte, nimmt eine normale Plastikflasche)
  • optional: eine Thermosflasche (ich war sehr froh, in hohen Gefilden warmes Wasser vom Morgen trinken zu können, während das Wasser bei einigen Mitwandernden gefror)
  • eine Stirnlampe (wichtig vor allem für den Pass!)
  • eine gute Powerbank (notwendig, da es in einigen Unterkünften in höheren Lagen keinen Strom gibt)
  • optional: Feuerzeug und eine Kerze (öfter herrscht Stromausfall)
  • Mülltüten (um die Füße im hohen Schnee trocken zu halten und Müll zu sammeln)
  • zwei/drei Wäscheklammern und eine Art Leine, um den Rucksack in einen Wäschetrockner beim Wandern verwandeln zu können
  • etwas zur Unterhaltung – z. B. ein E-Book, Kartenspiel, ein paar heruntergeladene Filme auf der Netflix-App auf dem Handy. An einigen Tagen ist der Anstieg recht steil und die Gewöhnung an die Höhe anspruchsvoll, sodass der Trek nach nur vier bis fünf Stunden vorbei ist. Der Rest der Zeit möchte in den (manchmal bitterkalten) Hütten vertrieben werden.
  • Crampons / Spikes – können lebensrettend im hohen Schnee/Eis sein. Wir haben die günstigsten für 1.000 Rupien pro Paar gekauft – bei einigen von uns (mir inklusive) gingen sie bereits bei der ersten Benutzung kaputt. Es lohnt sich also, hier nicht die allergünstigsten zu nehmen, so wie wir.
  • Regenschutz für den Rucksack
  • Ich empfehle noch etwas zum Tagebuchführen (Papier/Buch + Stift) sowie eine Karte zum Nachverfolgen und Planen der täglichen Routen (in Pokhara erhältlich).
  • optional: Schlafsack. Ich bin froh, mir dieses Gewicht gespart zu haben, denn jede Unterkunft bot mehrere Decken. Selbst in 4.900 Metern Höhe bei minus 25 Grad reichten mir drei Decken und meine volle Ausrüstung samt Daunenjacke, um es schön mollig zu haben – einen Schlafsack brauchte ich nicht. Hingegen waren andere Wanderer froh über ihre zusätzliche und vor allem saubere Schlafschicht.
  • optional: Wärmflasche

Reiseapotheke / Kulturbeutel

  • Diamox gegen die Höhenkrankheit – nur für den Fall der Fälle. Sie sollen nicht besonders gut für die Leber sein, deshalb besser nicht prophylaktisch einnehmen.
  • Ibuprophen, Paracetamol, Kohletabletten – um sicherzugehen
  • Tabletten, die das Wasser reinigen und trinkbar machen; alternativ ein SteriPen (Hinweis: In höheren Lagen ist der Siedepunkt beim Wasserkochen geringer, d. h. nicht alle Keime werden weggekocht. Deshalb lohnt es sich ab etwa 4.000 Metern, auch gekochtes Wasser zu reinigen.)
  • Lippenbalsam (die Lippen werden im Laufe der Tage unglaublich trocken; nach der Wanderung mit Honig behandeln!)
  • Sonnencréme! (ich hatte den Sonnenbrand meines Lebens, als ich sie am Tag der Passüberquerung vergessen hatte)
  • Blasenpflaster
  • eine Créme fürs Gesicht
  • statt Duschgel und Shampoo hatte ich eine Kernseife dabei – sie eignet sich auch zum Wäschewaschen!
  • etwas zum Wäschewaschen – Kernseife, Waschpulver oder Waschgel. Allerdings darauf achten, dass es der Natur nicht zu sehr schadet (denn hier gibt es keine Kanalisation, alles gelangt zurück in die Natur); bestenfalls aus Naturbestandteilen bereits aus Deutschland mitbringen.
  • Zahnbürste, Zahnpasta und Zahnseide (nicht vergessen!)
  • sicherheitshalber eine Nagelschere, die auch zu anderen Schneideaufgaben dient
  • Nadel und Faden, falls der Knopf der Wanderhose abfällt
  • Klopapier!!

Verpflegung

Verpflegung ist nicht zwingend notwendig – man kommt vor allem am Anfang regelmäßig an Restaurants vorbei, sodass man nirgendwo verhungern oder verdursten sollte. Dennoch ein paar Empfehlungen von mir:

  • Multivitamintabletten, da man nicht immer seine nötige Dosis an Vitaminen erhält
  • Ich hatte einen Vorrat an ungesalzenen Erdnüssen dabei – sie machen satt, haben viele Kalorien und vor allem Protein, wovon man in den Gerichten im Himalaja meist zu wenig bekommt.
  • Zudem führte ich eine Packung Walnüsse mit, um mir mein morgendliches Porridge nicht nur mit Proteinen, sondern auch Omega-3 anzureichern.
  • Außerdem kaufte ich mir eine Packung Haferkekse und ein Glas Erdnussbutter zum Snacken zwischendurch (deutlich günstiger als ein Snickers-Riegel).
  • Eine Packung Kekse dabei zu haben, ist nie verkehrt.
  • Ich hatte mir weiterhin einen kleinen Becher Ashwagandha-Puder in Pokhara besorgt – die Gingseng-Wurzel soll wahre Wunder für das Immunsystem und die Muskelregeneration vollbringen. Ich habe jeden Morgen einen halben Teelöffel mit Wasser vermengt und wurde zumindest nicht krank!
  • Schließlich hatte ich auch ein paar Teebeutel von Grüntee dabei. Morgens ließ ich mir kochendes Wasser in meine Thermosflasche abfüllen und hatte somit täglich meinen ganz eigenen Tee während der Wanderung.

Geld

Neben den optionalen Kosten für einen Guide und/oder Träger muss Bargeld für jeden Tag eingesteckt werden, da man nirgends mit Karte zahlen kann und es keine Bankautomaten (ATMs) weit und breit gibt. Pro Tag sollte man etwa 25 Euro für Unterkunft und Verpflegung an Bargeld einplanen, dann ist man auf der sicheren Seite. Im Schnitt habe ich um die 10 bis 15 Euro pro Tag ausgegeben; in höheren Lagen wird es etwas teurer. Hinweis: Das waren die Preise von Februar 2022.

Wie sind die Teehäuser?

Die Unterkünfte, in denen Trekkende nächtigen, werden auch Teehäuser genannt. Sie bestehen aus äußerst simplen Zimmern mit Betten mit steinharten Matratzen und einer Decke (ich habe immer nach ein bis zwei weiteren Decken gefragt).

Die Toilette (meist das typisch asiatische Loch im Boden) befindet sich in der Regel außerhalb der Zimmer. Ebenso wie die „Dusche“, die in unteren Lagen noch funktioniert und mit etwas Glück sogar warmes Wasser hergibt.

Die Hütten haben meist Aufenthaltsräume, in denen die Backpacker essen, sich aufwärmen und ihre Abende verbringen. Üblicherweise verfügen sie über einen Ofen in der Mitte, der Kern des Aufenthaltsraumes ist, aber nicht in jedem Teehaus funktioniert oder wirklich viel Wärme abstrahlt.

WLAN funktionierte bei uns die ersten paar Tage richtig gut, allerdings war damit ab etwa 3.000 Höhenmeter zick, d. h. wir verbrachten etwa vier bis fünf Tage komplett ohne Internet.

Körperhygiene

Auch Wasser gibt es in höheren Lagen nicht mehr, da die Leitungen zugefroren sind. Häufig gibt es Wassereimer neben den Toiletten (mit Eisschollen drinnen), die mit einer aufgeschnittenen Plastikflasche als „Spülung“ fungieren.

Im Schneegebiet habe ich fürs Zähneputzen und eine Katzenwäsche Schnee in meine Flasche abgefüllt. Mit dem Schmelzwasser und meiner Seife konnte ich zumindest den Körpergeruch beseitigen und meine Kleidung vom Tag unter den Armen waschen. Zum Trocknen eigneten sich dann der Kaminofen im Teehaus oder der Rucksack am nächsten Tag. So kam ich relativ stinkfrei durch den Trek. Weniger penible Wanderer haben sich einfach eine Woche lang nicht umgezogen und gewaschen, das geht freilich auch.

Hüttenauswahl und Verkehr

Normalerweise wird der Annapurna Circuit jährlich von 40.000 Wanderern begangen; etwa 200 passieren zur Hochsaison den Pass pro Tag.

Wir waren sowohl zur Nicht-Saison als auch während der Covid-Zeit unterwegs, entsprechend hatten sehr viele Hütten geschlossen und wir gehörten zu den einzigen Wanderern im Annapurna-Gebirge, was den Weg sehr angenehm machte. Allerdings ließ uns diese Situation nicht viel Auswahl bezüglich der Hütten und Restaurants (meist war jeweils nur eine Unterkunft pro Dorf geöffnet), aber dafür hatten wir vor allem auf den Wegen unsere Ruhe. Den Pass überquerten wir schließlich in einer Gruppe von nur 20 Leuten. Das Highcamp vor dem Pass öffnete extra für uns – dank unserer Guides, die frühzeitig Bescheid gaben.

So viel zu den Vorbereitungen. Nun ist es an der Zeit für den Reisebericht.

Von Tag zu Tag – der Trek auf dem Annapurna Circuit

20. Februar 2022 – Erster Tag des Annapurna Circuits: Pokhara – Besisahar – Bahundanda

4 Uhr morgens signalisierte mir mein Wecker den Start unseres Treks. Mein großes Gepäck gab ich an der Rezeption meines Hotels ab, bevor ich mit meinem Wanderrucksack und dem lokalen Bus zur zentralen Busstation in Pokhara fuhr.

Dort warteten mein künftiger Wandergefährte David und unser Reisebus auf mich. Etwa vier Stunden rütteliger Fahrt durch nepalesische „Straßen“ später erreichten wir Besisahar, wo wir auch unseren Guide Saroj trafen.

Besisahar gilt als beliebter Startpunkt für den Annapurna Circuit. Es ist der letzte größere Ort, an dem sich Trekker noch einmal mit Ausrüstung und Proviant eindecken können. Saroj stattete uns auch mit unseren Permits aus – für die Annapurna-Region ist ein Erlaubnispapier notwendig, das an verschiedenen Grenzstationen kontrolliert wird. Wer ohne Guide reist, sollte sich das Permit in Kathmandu oder Pokhara besorgen, da es in Besisahar das Doppelte kostet.

Da es schon früher Nachmittag war und der Weg entlang einer schlammigen Straße führte, entschieden wir uns auf Empfehlung von Saroj, von Besisahar mit dem lokalen Bus nach Bhulbhule zu fahren. Das stellte sich als gute Entscheidung heraus.

Ab Bhulbhule startete dann unsere richtige Wanderung. Leider fing es an zu gewittern (Donner in den Bergen klingt eindrucksvoll!), sodass wir schnellen Schrittes etwa zwei Stunden durch den Regen stapften, bis wir unsere erste Unterkunft in Bahundanda erreichten.

Dort teilten wir uns ein Zimmer, genossen eine warme Dusche und ein sättigendes Abendbrot – in der Hoffnung auf gutes Wetter am nächsten Tag. Außer uns nächtigte in Bahundanda noch ein ambitionierter Extrem-Trekker aus Ägypten, der den Thorung La-Pass in drei statt zehn Tagen erreichen wollte. Unser Guide Saroj hingegen fürchtete, dass wir den Pass wegen des hohen Schnees vermutlich nicht passieren könnten, aber wir blieben optimistisch.

Tag 2: Über Jagat und Chamche nach Tal

Am nächsten Morgen die freudige Überraschung – komplett klarer Himmel! Und was für ein Panorama, welches wir am Tag zuvor durch die Regenwolken gar nicht sehen konnten!

Begeistert starteten wir 7:30 Uhr unseren ersten vollständigen Wandertag. Von unserer Unterkunft führte ein Weg nach unten über ein bewohntes und bewirtetes Hochplateau. Ich hatte nicht erwartet, bereits am zweiten Tag eine so schöne und bergige Landschaft vorzufinden – immerhin waren wir immer noch am Rande des Annapurna-Nationalparks.

Ich freundete mich schnell mit meinen neuen Wanderstöcken an, während David in einem Affanzahn nach vorne düste. Er ist erfahrener Wanderer des Jakobswegs, daher sind ebene Strecken kein Problem für ihn.

In einem Tal zwischen zwei grünen Bergen lag Jagat, wo wir eine ausführliche Mittagspause einlegten und für David einen Blick in eine örtliche Schule warfen. Wir waren die einzigen Backpacker weit und breit, was die Himalaja-Dörfer und deren Kultur noch authentischer gestaltete.

Normalerweise endet der zweite Tag im nächsten Ort Chamche. Allerdings waren wir flink unterwegs und erreichten das gemütliche Dorf bereits um 14 Uhr. Wir entschieden uns, ins etwa drei Stunden entfernte nächste Tal weiterzuwandern.

Der Weg führte nach unten; über eine Hängebrücke überquerten wir die Schlucht und wanderten entlang des Flusses auf der anderen Seite wieder bergauf. Die Aussicht war super! Während David auf den ebenen Routen davonschoss, war ich bergauf schneller, vermutlich aufgrund meines vorherigen Trainings.

Weiter oben endete der Wanderweg abrupt, da er durch einen Erdrutsch komplett in die Schlucht gestürzt war. Also mussten wir ein kleines Stück querfeldein klettern, bis wir das Eingangstor zu Tal erreichten.

Tal ist tatsächlich ein Tal und hatte ein etwas eigenartiges Feeling. Der gesamte Ort, der lediglich aus einigen Häusern bestand, wirkte wie ein verlassenes Goldminendorf. Dank Saroj fanden wir eine der einzigen geöffneten Pensionen, wo wir es uns abends am Feuer gut gehen ließen.

Tag 3: Verrückt langer Weg nach Chame

Am nächsten Morgen war ich das erste Mal so richtig dankbar, Saroj dabei zu haben. Nach Tal führte der Weg erneut durch eine Schlucht, die durch das reißende Gletscherwasser der Berge entstanden war. David und ich wollten einem Weg auf der östlichen Seite folgen – allerdings hätte uns dort nach etwa zwei Stunden Wanderung eine Sackgasse erwartet, ohne jede Möglichkeit, den Fluss zu überqueren.

Saroj führte uns hingegen kurz nach Tal auf der anderen Flussseite durch einige Büsche, bis wir wieder am Wanderweg ankamen, den wir aufgrund einer nicht mehr vorhandenen Holzbrücke ohne Saroj nicht gefunden hätten.

Für etwa anderthalb Stunden begleitete uns ein Straßenhund, den ich am liebsten mitgenommen hätte. Als er während einer unserer Trinkpausen sein Revier auf meinem am Rucksack hängenden Handtuch markierte, verlor ich diesen Wunsch aber wieder. Glücklicherweise gab es in der Nähe eine Wasserquelle, an der ich mein Handtuch waschen konnte.

Der weitere Weg führte durch eine Schlucht mit steilen Felsformationen. Gegen Mittag entdeckten wir auch die ersten schneebedeckten Gipfelspitzen.

Am frühen Nachmittag ging es für etwa eine Stunde nicht weiter: Ein Erdrutsch hatte die Straße zerstört, welche gerade von einem Bagger wieder hergerichtet wurde. Beim Warten trafen wir die Ukrainerin Maria und ihren Guide Corby – die erste andere Trekkerin auf unserem Trip!

Nachdem der Weg durch geschickten Einsatz des Baggers freigeräumt war, ging es weiter durch eine hügeligere Landschaft nach Danakyu, wo wir zu Mittag aßen.

Von dort an wurde es wolkig und nebelig, die Landschaft wurde zunehmend karg und winterlich – wir sahen unseren ersten Schnee! Teilweise wurde es so nebelig, dass wir kaum zehn Meter sehen konnten, weshalb wir nah beieinander blieben.

Uns kamen einige nepalesische Trekker sowie ein britisches Pärchen entgegen. Sie kehrten vom Thorong La-Pass zurück, den sie wegen zu hohen Schnees und eines Blizzards nicht überqueren konnten. Das war natürlich nicht sonderlich aufmunternd für uns, aber wir gaben die Hoffnung nicht auf, dass der Pass in einigen Tagen wieder passierbar war.

David war sichtlich erschöpft und der Weg nahm einfach kein Ende. Saroj empfahl uns dennoch, weiter nach Chame zu wandern. Langsam wurde es bereits dunkel, ich merkte eine Blase an meinem Fuß und das Gewicht meines Rucksacks, während David die Puste und Laune ausgingen. Etwa anderthalb Stunden vor Chame kreuzte ein Jeep unseren Weg, der David gegen teures Fahrtgeld mit nach Chame nahm, während Saroj und ich unseren Gewaltmarsch fortsetzten – in Eile, um noch vor Einbruch der Dunkelheit anzukommen.

Später sollten uns einige Nepalesen, darunter ein Permit-Kontrolleur, für verrückt erklären, dass wir den ganzen Weg von Tal nach Chame an einem Tag zurückgelegt haben, da es normalerweise zwei Tagestouren sind.

Ich war so froh, als wir im Hotel ankamen und David uns in der gemütlichen Stube begrüßte, in der sich auch zwei französische Pärchen aufwärmten. David und ich lernten am Abend den erhitzten nepalesischen Wein schätzen (der wie purer Vodka schmeckt), und später erreichten auch Maria und Corby mit einem Jeep unsere bescheidene Hütte, deren Zimmer bitterkalt waren.

Tag 4: In winterlicher Umgebung nach Upper Pisang

Nach einem Frühstück mit Maria und Corby ließen wir Chame hinter uns und stapften durch Matsch und ein bisschen Schnee entlang eines bezaubernden Waldes, bevor wir in Bhratang die größte Apfelplantage des Himalajas bewunderten. Über 65.000 Apfelbäume werden dort gepflanzt und ein deplatziert wirkendes, modernes Retreat lädt zum Übernachten ein.

Weiter ging es in immer winterlichere Gefilde, bis wir an einem surreal wirkenden Bergverschnitt vorbeiliefen. Schließlich erreichten wir einen Wald, in dem David und ich eine Verschnaufpause einlegten.

Auf einmal hörten wir Musik. Wo kam die her? Mitten aus dem Gebüsch kam ein Nepalese mit einem riesigen Koffer auf dem Rücken und typisch nepalesischer Musik, die aus seinem Handy düdelte. Hinter ihm: die beiden französischen Pärchen vom vorherigen Abend mit ihren leichten Tagesrucksäcken. Während sie gemütlich durch den Winterwald stapften, musste ihr armer Porter ihr ganzes Gepäck buckeln – kein Wunder, dass er ein bisschen Musik brauchte.

Wir folgten der Truppe durch den Wald, bis wir schließlich im Dorf Dhikur Pokhari landeten. Dort machten wir Rast und genossen ein wundervolles Panorama bei strahlendem Sonnenschein.

Es stand eine Entscheidung an, denn der Weg gabelt sich von hier in Lower und Upper Pisang. Lower Pisang führt entlang des Tals und ist die weniger anstrengende Route, die allerdings auch weniger Aussicht bietet.

Glücklicherweise hatte ich zuvor im Lonely Planet einige Argumente für Upper Pisang gelesen, sodass ich Saroj sowie den von Aufstiegen wenig begeisterten David davon überzeugen konnte, den Weg nach Upper Pisang zu nehmen – was sich am nächsten Tag mit der besten Aussicht des gesamten Trips auszahlen sollte!

Am Nachmittag erreichten wir schließlich Upper Pisang nach einem wunderschönen Weg über eine Hochebene. Upper Pisang ist ein interessantes Dorf, das zur Hälfte aus Herbergen, zur anderen Hälfte aus alten Steingebäuden besteht, die im Februar allesamt verlassen waren.

Während David Schlaf nachholte, erkundete ich das Dorf und bestieg einen kleinen Hügel über einem buddhistischen Kloster, wo ich meditierte und die wunderschöne Landschaft einsaugte. Den Abend verbrachten wir mit der französischen Gruppe im Aufenthaltsraum, der durch einen Stromausfall noch charmanter wurde.

Tag 5: Meine Lieblingsaussicht auf dem Weg nach Manang

Über Nacht schneite es. Obwohl die etwa zwei Zentimeter Neuschnee nichts Gutes für unsere spätere Passüberquerung bedeuteten, waren sie wunderschön anzuschauen.

Der Weg von Upper Pisang bis nach Nawal war für mich das Highlight des Trips. Es ging äußerst steil bergauf, wir hatten ganz schön zu kämpfen. Aber es war jeden Atemzug wert: Die Aussicht, die uns nach etwa 400 Höhenmetern Aufstieg erwartete, war im wahrsten Sinne atemberaubend. Ich musste fast eine kleine Träne verdrücken und war mir sicher, nie wieder in meinem Leben eine solche Aussicht zu genießen. Vor uns ragte Annapurna II mit fast 8.000 Metern Höhe. Fotos können den gewaltigen Dimensionen nicht gerecht werden, dennoch hier einige Impressionen:

Während wir die Aussicht genossen, holten uns der Träger der Franzosen und später auch seine Gefolgschaft ein; weit unten im Tal konnten wir Maria und Corby ausmachen.

Der wunderschöne Weg führte weiter nach Nawal, wo wir eine Pause einlegten. Von hier ging es wieder nach unten über eine immer trockenere Landschaft mit eigenartigen Felsenformationen.

Nachdem wir bereits zwei Tage ohne WLAN auskamen, hatte ich zwischendurch ein Fünkchen Empfang, der mir Nachrichten aufs Handy zauberte. Keine guten: Der Ukraine-Krieg war ausgebrochen, was dann auch unser Gesprächsthema für den Rest der längeren Reise nach Manang war.

Auf dem Weg begann es leicht zu schneien. Wir machten eine letzte Rast in einem tibetischen Teehaus, wo wir durchs Fenster neugierig ein weiteres Trekker-Pärchen beobachteten, das am Teehaus vorbeilief.

Vom Schnee abgesehen ist die Manang-Gegend sehr trocken und karg, was den restlichen Weg einfach gestaltete. In Manang angekommen, trafen wir die beiden Trekker von zuvor – Nike und Fabi, ein Pärchen aus Leipzig! Für mich als Dresdner natürlich eine schöne Überraschung. Wir checkten mit ihnen gemeinsam in einem der beiden offenen Hotels ein und waren von diesem Zeitpunkt an eine größere Reisegruppe. Aus Drei wurden Fünf!

Den Abend verbrachten wir gemeinsam an einem wenig heizenden Ofen, dennoch gut durchgewärmt und etwas angeheitert durch den „Mustang-Kaffee“ – nepalesischer Wein (also Schnaps) mit Kaffee. Hier noch zu empfehlen, ab größerer Höhe nicht mehr.

Tag 6: Gewöhnungstag in Manang

In Mustang endet die Straße; das heißt bis hierhin können Trekker theoretisch auch mit dem Jeep fahren. Mustang ist die letzte größere „Bastion“ vor dem Pass, welche noch mal ein wenig Ausrüstung und einige Märkte zum Eindecken mit Proviant bietet.

Allerdings war die Stadt wie ausgestorben. Außer uns und den Franzosen gab es keinerlei Backpacker; die Hälfte der Dorfbewohner war noch nicht aus dem Winterurlaub zurückgekehrt und die lokalen Leute beäugten uns misstrauisch.

Auch die berühmten Bäckereien, die Wanderer von den Strapazen verwöhnen sollten, waren alle geschlossen. Wir hatten uns mehr erwartet.

Manang in über 3.000 Metern Höhe ist ein beliebter Ort, um einen Tag Pause vom Wandern zu nehmen und sich in der Höhe zu akklimatisieren. Die Höhenkrankheit betrifft 50 bis 70 Prozent aller Wanderer in unterschiedlichem Maße und ab etwa 3.000 Metern ist es wichtig, das Tempo zu reduzieren und nicht mehr als 500 Meter pro Tag aufzusteigen.

Zudem wird der Sauerstoffgehalt zunehmend geringer, was bereits in Manang spürbar ist.

Den Ruhetag verbringen Wanderer entweder entspannt in der Stadt oder machen einen von mehreren Tagesausflügen rund um Manang. Als wir dort waren, waren die Tagesausflugsziele leider aufgrund des Schnees (über Nacht gab es Neuschnee) unpassierbar. Deshalb unternahmen Nike, Saroj und ich eine kleine Mini-Wanderung zu einem Fotomotiv, das ich im Lonely Planet-Guide entdeckt hatte und mich überhaupt erst auf den Annapurna Circuit brachte. Dort machten wir mirzuliebe eine kleine Foto-Session und stapften ein Stück weit durch den Schnee hinauf, um den Annapurna III zu berühren.

Den Nachmittag versuchten wir, die strenge Kälte am kalten Ofen zu überstehen und uns mit warmen Getränken und viel Dalbhat aufzuwärmen. Das WLAN funktionierte hier teilweise, was uns dabei half, ein wenig mit Sprachnachrichten und Nachrichten rund um die Welt aufzuholen.

Tag 7: Größere Wandergruppe nach Yak Kharka

An unserem Gewöhnungstag erreichten noch andere Wandergruppen Manang. Dazu gehörten Maria und Corby, die uns eingeholt hatten, die Inderin Hanni mit ihrem Guide sowie eine kleine Gruppe bestehend aus drei Dänen, dem Amerikaner Dean und dessen Guide.

Das Wetter wurde wieder sonnig und die Wahrscheinlichkeit, dass wir als eine der ersten Gruppen in diesem Jahr den immer näher kommenden Thorong La-Pass überwinden konnten, stieg. Dennoch war die Überquerung nicht ungefährlich, weshalb sich all unsere Guides absprachen und wir uns als größere Reisegruppe gemeinsam auf den Weg machten, um den Pass zusammen zu überqueren. Ab jetzt gab es nämlich kein Zurück mehr und der härteste Teil des Weges hatte begonnen.

Bei strahlendem Sonnenschein führte uns der Weg durch wunderschöne verschneite Landschaften. Der geringere Sauerstoffgehalt und das hohe Gewicht meines Rucksacks machten mir an dem Tag ganz schön zu schaffen. Ich war der letzte in der Gruppe, da ich recht viel für Fotos und zum Absetzen meines Gepäcks stehen blieb.

Die Landschaft wurde zunehmend karger, der Schnee wandelte sich in unangenehmen Matsch und es windete stark. An einer Stelle zwischen zwei Bergen führte dies zu einem interessanten Klangspiel, als der Wind durch die Kluft und die metallenen Fahnenmasten fuhr.

Wir erreichten Yak Kharka in etwa 4.000 Metern Höhe nach nur etwa vier Stunden. Allerdings ist ein weiterer Aufstieg nicht empfohlen, da wir bereits fast 1.000 Höhenmeter zurückgelegt hatten und viele Wanderer in Yak Kharka die ersten Anzeichen einer Höhenkrankheit erleben.

Also verbrachten wir viel Zeit im einzigen geöffneten, bitterkalten Teehaus. Ab hier gab es weder Handyempfang, WLAN noch fließendes Wasser. Die Trinkflaschen in unseren Zimmern gefroren, und die Wasserfässer neben den „Toiletten“ bargen dicke Eisschollen.

Wir mummelten uns ein und jeder von uns verbrachte den Nachmittag im Aufenthaltsraum für sich, entweder lesend, schlafend, spielend oder Film schauend. Ich hatte mir zuvor „14 Peaks“ auf Netflix heruntergeladen – eine sehr inspirierende Dokumentation über einen Nepalesen, der die 14 höchsten Berggipfel der Welt bestiegen hatte, darunter auch im Annapurna-Gebirge.

Leider funktionierte der Ofen im Raum nicht besonders gut, weshalb David und ich uns zur inneren Aufwärmung zwei heiße nepalesische Weine gönnten – entgegen der Empfehlung, in dieser Höhe keinen Alkohol mehr zu trinken. Die Rechnung kam prompt: Wir waren sturzbetrunken, der Alkohol steigt in dieser Höhe sofort in den Kopf. Wenigstens war uns schön warm und wir hatten Spaß beim Philosophieren mit den Dänen und Dean.

Dennoch bereute ich in der Nacht unseren kleinen Alkoholexzess. Aufgrund der Luftknappheit wachte ich immer wieder mit Schnappatmung auf, zudem war mir übel und alles drehte sich. Um sicherzugehen, dass mich die Höhenkrankheit nicht erwischt hatte und mein Elend rein vom Alkohol kam, nahm ich eine Diamox-Tablette. Sie soll schädlich für die Leber sein, aber dieses Risiko nahm ich in der Kälte der Nacht auf mich.

Tag 8: Harter Aufstieg zum High Camp

Der vorletzte Tag vor der Passüberquerung hatte begonnen – und auch einer der härtesten, an dem wir an unsere Grenzen gelangten. 900 Meter Aufstieg unter harschen Bedingungen standen uns bevor.

Im Grunde gibt es von Yak Kharka aus drei Optionen: Man kann bis nach Thorung Phedi wandern, eine etwa nur vierstündige Tour mit 500 Metern Aufstieg. Dies wird von vielen Reiseführern als die sicherere Variante empfohlen. Zum einen ist die Lawinengefahr in diesem Basiscamp geringer als eine Übernachtung im etwa zwei Stunden entfernten High Camp. Zum anderen sind die empfohlenen 500 Meter Aufstieg pro Tag in Thorung Phedi eigentlich schon ausgeschöpft.

Allerdings bedeutet die Passüberquerung von dort aus einen deutlich längeren nächsten Tag, da erst das High Camp erreicht werden muss, bevor es dann zum eigentlichen Pass geht – es sei denn, man wandert am nächsten Tag zum High Camp und hockt dann dort für einen ganzen Tag bei minus 25 Grad, um erst am übernächsten Tag den Pass zu wagen.

Wir wollten beides nicht und unsere Gruppe entschied sich dafür, direkt bis zum High Camp aufzusteigen – auch, weil die Wettervorhersage für den nächsten Tag Gutes versprach. Also ging es früh los.

Anfangs begleitete uns erneut die Sonne und wir stapften im hüfthohen, aber gefrorenen Schnee durch eine Art Plateau. Es fühlte sich an wie eine Expedition in die Arktis mit unserer Reisegruppe, wobei die dänischen Jungs sowie die Franzosen mit ihrem Porter schnell einen deutlichen Vorsprung zurücklegten.

Der Weg führte dann entlang an einem sehr rutschigen und dadurch gefährlichen Berghang. Es war kalt, windig und glatt. David fiel und einer seiner Wanderstöcke brach. Wir hatten ganz schön zu kämpfen, bis ich schließlich darauf drängte, dass wir uns endlich die Grampons anzogen, also die Spikes unter unseren Schuhen für einen besseren Halt.

Wir erreichten Thorung Phedi allesamt sehr erschöpft, sowohl von der gefährlichen Glätte und der Kälte als auch vom Sauerstoffmangel. Entsprechend fiel unsere Mittagspause in der durchaus warmen und gemütlichen Stube etwas länger aus – einige hielten ein Nickerchen auf den Holzbänken. Platz gab es glücklicherweise genug, immerhin waren wir zu dem Zeitpunkt die einzigen etwa 20 Wanderer in der Gegend (normalerweise sind es zur Hochsaison zehn Mal so viele).

Doch wir mussten weiter, denn es zog ein Schneesturm auf und wir hatten weitere 400 steile Höhenmeter zurückzulegen. Hier wurde es sehr abenteuerlich. Durch den Blizzard konnten wir nicht weit sehen, alles gefror und den geringen Sauerstoffgehalt merkten wir mit jeder Sekunde. Es war für mich eine sehr meditative Erfahrung, da ich mich rein auf den Atem und auf jeden einzelnen Schritt konzentrierte, während ich den Schmerz im Rücken und im Gesicht durch die Kälte zu ignorieren versuchte.

David war am Ende seiner Kräfte. Er gab zwischenzeitlich auf und sagte, er könne nicht mehr. Es bedurfte einiger Aufmunterung und Unterstützung, dass er tapfer blieb. Denn Aufgeben war keine Option – die Hütte in Thorung Phedi hatte nur für uns geöffnet und danach wieder geschlossen, eine Rückkehr war also gar nicht möglich.

Schließlich erreichten wir endlich das High Camp und alle waren froh, es geschafft zu haben und sich am funktionierenden Ofen aufzuwärmen. Hier verbrachten wir bei etwa 4.900 Metern unseren höchsten Abend – und den letzten vor der Passüberquerung. Es war sehr gesellig.

Da es am nächsten Tag bereits 4 Uhr morgens losgehen sollte und wir alle erschöpft waren, legten wir uns nach und nach zeitig gegen 20:30 Uhr zur Ruhe. Die Nacht war nicht schön, da ich immer wieder hyperventilierend aufwachte. In dieser Höhe beträgt der Sauerstoffgehalt nur noch 50 Prozent; minus 25 Grad tun ihr Übriges. Mir ging es nicht alleine so; andere wiederum schliefen wie ein Baby.

Tag 9 Teil 1: Überquerung des Thorong La-Passes

Dieser Tag startete ganz besonders. Wir hatten so lange gebangt, ob wir den Thorong La-Pass auch wirklich überqueren könnten. Auf unserem Pfad hatten wir verstreut einige Trekker getroffen, für die der Pass gesperrt war. Es hätte bedeutet, dass wir den gesamten Weg wieder hätten zurücklaufen müssen.

Aber das Glück war uns hold, denn es kam kaum Neuschnee und der Tag der Überquerung sollte sonnig werden. Und wir hatten erfahrene Guides dabei, die vorangingen und eine erste Schneise in den meterhohen Schnee schlugen. Es war klasse, dass wir uns zu einer Gruppe zusammengefunden hatten; denn David, Saroj und ich hätten den Pass allein nicht stemmen können.

Um 4 Uhr standen wir auf (ich war sowieso schon wach), nahmen ein warmes Frühstück ein und bereiteten uns auf den Pass vor. Es herrschte eine angespannte Stimmung – jeder war aufgeregt, in sich gekehrt und mit den Vorbereitungen seiner Ausrüstung beschäftigt. Es fühlte sich an, als stünden wir vor einer militärischen Operation. Tatsächlich gibt es immer wieder Wanderer, die die Passüberquerung nicht überleben. Das Wetter kann sich blitzschnell ändern. Vor einigen Jahren starben etwa 40 Trekker auf einmal, da sie eingeschneit wurden.

Aber natürlich sind das sehr seltene Ausnahmen, wenn man sich bewusst macht, dass der Pass normalerweise von 200 Menschen pro Tag überquert wird. Wir waren 20. Aber fest entschlossen, einen der höchsten Bergpässe der Welt auf 5.416 Metern Höhe zu bezwingen!

Der Tag, auf den ich mich schon lange gefreut hatte, begann. Um 6 Uhr morgens starteten wir im Gänsemarsch. Ich war gleich in der zweiten Reihe hinter den Guides, die den Weg bahnten. Die Atmosphäre war grandios: Es war totenstill, die Sonne ging langsam hinter den Bergketten auf und erste Lichtstrahlen berührten die gewaltigen Bergspitzen und deren Schneemassen.

Nach etwa einer Stunde war die Gruppe sehr zersplittert. David war mit Saroj der letzte in der Reihe und ich machte mir Sorgen um ihn, da er am Morgen Anzeichen der Höhenkrankheit zeigte. Auch Nike schien das Essen vom Vorabend nicht gut vertragen zu haben, aber sie hielt sich wacker. Also wartete ich und verlor damit die Dänen und Franzosen aus den Augen, die uns deutlich voraus waren.

Mir waren die Wartezeiten aber ehrlicherweise ganz recht, um nach Luft zu ringen. Jeder Schritt stellt in dieser Höhe eine Belastung dar. Meine Nase lief unentwegt. Trotz dicken Handschuhen hatte ich das Gefühl, meine Hände frieren ab. Aber der etwa vierstündige Weg bis zum Pass war atemberaubend schön und durch das klare Wetter deutlich angenehmer als der Aufstieg am Tag zuvor. Das machte die körperlichen Strapazen wieder wett.

Um etwa 10 Uhr war Fabi der erste, der die Fahnenstangen sah, die den Passgipfel markierten. Gemeinsam erreichten wir den Thorong La-Pass und machten jede Menge Fotos.

Ich hatte mich sehr auf diesen Moment gefreut und war etwas betrübt, dass meine Gruppe schnell wieder weiter wollte. Tatsächlich sollte man den Pass vor 10 Uhr überqueren, da ab dann starke und teils gefährliche Winde kommen sollten. Jedoch war hinter uns noch die Inderin Hanni mit ihrem Guide, die ich nicht zurücklassen wollte. Also ließ ich unsere Gruppe vorgehen und wartete alleine am Pass, während ich die Ruhe und Magie des Moments ganz für mich einsaugte.

Nach einiger Zeit machte ich mir aber doch etwas Sorgen und lief zurück, konnte Hanni dann aber wohlauf finden, die sich einfach nur ihre Zeit nahm. Die Winde waren zum Glück nicht stark, sodass es selbst 11 Uhr sonnig und angenehm am Pass war.

In meiner Euphorie hätte ich nicht gedacht, dass nun der härteste Teil des Treks auf uns warten sollte – nämlich ein sechsstündiger Abstieg von knapp 1.700 Höhenmetern bei Glatteis.

Tag 9 Teil 2: Vom Pass hinunter nach Muktinath

Hanni ging es gut, also ging ich voraus, um meine Gruppe wieder einzuholen. Ehrlicherweise war ich zu diesem Zeitpunkt etwas stinkig, dass mein Team so platt und euphorielos war. Das Panorama war trotzdem atemberaubend und zunächst ging es durch den dicken, aber stabilen Schnee zügig hinunter.

Recht schnell hatte ich meine Truppe wieder eingeholt – und sie überholt. Sie waren sehr erschöpft, also ging ich vor und wartete dann an einem sonnigen Plätzchen, wo die Ruine einer alten Hütte stand. Hier fiel mir auf, dass ich dummerweise vergessen hatte, meine Sonnencréme zu nutzen – zu spät, ich war bereits deutlich verbrannt.

Vor allem David und Nike brauchten wirklich lange, um zu meinem Warteplatz zu kommen. Nike schien schwach, und dann kam ihr Geständnis: Ihr ging es gar nicht gut, sie hatte sich bereits mehrere Male heimlich übergeben müssen. Und die nächste Hütte war zwei Stunden entfernt.

Es folgte also ein recht sorgenvoller Abstieg. Eigentlich dauert diese Etappe lediglich drei Stunden. Doch bei uns war alles gefroren, jeder Schritt erforderte größte Sorgfalt, um nicht zu stürzen. Dann wiederum hatte die Sonne einige Teile der Eisdecke bereits schmelzen lassen, sodass mancher Schritt auch – von außen unerkennbar – in die Tiefen des Schnees führte. Ich versank einige Male im Schnee, der mir bis zur oberen Hüfte ging. Und wer mich mit meinen 1,93 Metern Körpergröße kennt, kann sich die Tiefe des Schnees vorstellen.

Unsere Grampons waren völlig im Eimer. Davids Wanderstöcke hatten mittlerweile beide den Geist aufgegeben und wir teilten uns meine. Auch Nikes Gepäck verteilten wir untereinander, wobei Fabi den größten Teil übernahm. Es war erstaunlich, wie viel Kraft und Tapferkeit Nike trotz ihrer körperlichen Verfassung zeigte. Ihr blieb zwar keine andere Wahl, aber ihr Wille war sehr inspirierend.

Zwischenzeitlich rutschte David einen Abhang hinunter und versank im Schnee – ich rutschte ihm hinterher, um ihm zu helfen, versank aber ebenso wie er an einer anderen Stelle. Fluchend, frierend, mit Sonnenbrand gezeichnet, mit nachlassendem Proviant und zwischendurch mit reichlich Galgenhumor sackten wir immer wieder in den Schnee, fielen hin, rutschten hinunter, standen wieder auf und bahnten uns langsam und mühselig einen Weg nach unten, bis wir schließlich ein offenes Häuschen mit einer Küche fanden.

Die Franzosen und Dänen waren uns meilenweit voraus, während uns Maria, Corby, Hanni und ihr Guide einholten. Leider gab es auch im „Restaurant“ für die sichtlich ermattete Nike keine Möglichkeit, bis zum nächsten Ort abgeholt zu werden, da die Straße komplett zugeschneit war. Lediglich ein Pferd hätten wir für viel Geld und mit reichlich Geduld bestellen können, doch Nike raffte sich auf und wir bewältigten den Rest des Abstieges gemeinsam.

Wieder unter 4.000 Höhenmetern war es dann deutlich angenehmer und Teile des Schnees wurden zu Matsch, der sich besser ablaufen ließ. Bei malerischem Sonnenuntergang erreichten wir schließlich die heilige Stadt Muktinath, wo uns die französischen Pärchen bereits vom „Bob Marley“-Hotel aus zuwinkten. Wir hatten es geschafft.

In Muktinath gab es auch das erste Mal seit Tagen wieder Handyempfang, ebenso wie fließendes und sogar warmes Wasser – die erste Dusche seit Tagen!

Wir verbrachten den Abend völlig fix und fertig an einem großen Feuerofen, wo unsere durchnässte Kleidung trocknete und wir uns mit Tee und reichlich Dhalbat aufwärmten. Wir alle waren von Sonnenbrand, spröden Lippen, Blasen sowie Schmerzen an den Füßen und am Rücken gebrandmarkt. Diese Bettruhe hatten wir uns redlich verdient!

Tag 10: Heiliges Ritual in Muktinath und Weg nach Jomsom

Der Morgen im Hotel war herrlich. Wir hatten uns vorgenommen, nach all den Strapazen etwas länger zu schlafen, sodass ich erst gegen 7 Uhr wach wurde und noch eine Stunde im warmen Bett verbrachte.

Muktinath ist ein heiliger Ort und seine beiden Tempel eine Pilgerstätte für Hindus und Buddhisten weltweit. Zudem waren wir an einem besonderen Feiertag da: Maha Shivrati, dem Festtag Shivas. An dem Tag ist es in Nepal offiziell erlaubt, Marihuana zu konsumieren.

Entsprechend blühte das Städtchen, das von der anderen Seite auch mit dem Bus zu erreichen ist, und Saroj und ich brachen am Vormittag auf, um die Tempel zu besichtigen. Auf dem Weg trafen wir die dänischen Jungs, Dean, Maria und Corby.

Gemeinsam nahmen wir am festlichen Ritual teil, uns unter Eiseskälte spirituell zu reinigen. Rund um den hinduistischen Tempel – einem der höchsten Tempel der Welt – ist eine Reihe von 108 verzierten Fontänen angebracht, die eiskaltes Wasser aus dem Gletschereis hervorbringen. In Unterhose bei Minusgraden stellten wir uns der eisigen Herausforderung und liefen durch alle 108 Fontänen hindurch, um seelisch reiner zu werden.

Oliver – einer der Dänen, den ich später in Indien wiedertreffen sollte –, humpelte eher hindurch, denn zwei seiner Zehen waren am Vortag in seinen kaputten Sneakers beinahe abgefroren. Kein schöner Anblick, aber seinen fast schon schwarzen Fußecken ging es einigen Tagen später wieder gut, als wir uns noch einmal in Pokhara trafen.

Auch der buddhistische Tempel war interessant, da hier – winzig klein – eine natürliche Flamme ewig aus dem Berg lodert.

Nach unserer Besichtigungstour verabschiedeten wir uns alle voneinander. Die Franzosen reisten mit dem Bus zurück nach Pokhara. Maria und Corby machten einen Abstecher in ein anderes Annapurna-Gebiet und auch die Dänen wählten einen anderen Weg als wir. Leider mussten wir auch von Nike und Fabi Abschied nehmen, die einen Tag Ruhe in Muktinath benötigten und noch unsicher waren, ob sie danach weiterwandern wollten. Auch Dean verblieb in Muktinath, während Hanni zu einem Ort mit heißen Quellen weiterreiste.

David wollte in zwei Tagen gerne zurück in Pokhara sein. Eigentlich hätte der Annapurna Circuit noch mindestens fünf Tage angedauert, aber alleine wollte ich nicht weitereisen und ehrlicherweise sehnte ich mich auch nach etwas Komfort. Also traten wir den letzten Teil unserer Reise wieder zu dritt mit Saroj an.

Er führte uns zunächst durch Jaghat und ein für seine starken Winde bekanntes Tal entlang einer erstaunlich gut ausgebauten Straße. Wir rasteten in Kagbeni und erreichten am Abend Jomsom, ein Städtchen in einer sehr kargen, steinigen Bergwüste mit eigenem Flughafen.

Wir planten unseren nächsten Tag und verbrachten unseren letzten gemeinsamen Abend mit einem britischen Professor, der von der anderen Seite nach Jomsom gekommen war und im gleichen Gasthaus übernachtete.

Tag 11: Marpha und eine turbulente Busfahrt

Unser letzter gemeinsamer Morgen hatte begonnen. Wir wanderten ihn unter erneut eindrucksvoller Kulisse etwa zwei Stunden lang in das Dörfchen Marpha, das für seinen Apfelwein und seine interessante Architektur bekannt ist. Ein wirklich schöner und friedfertiger Ort mit lachenden buddhistischen Kindern, die in einem Mönchskloster ausgebildet wurden, in das wir einen Einblick gewinnen durften.

Ab hier endete für uns der Annapurna Circuit. Wir stiegen in den Bus, der David nach Pokhara bringen sollte. Ich wollte gerne noch das für seinen Sonnenaufgang berühmte Poonhill sehen, sodass Saroj und ich nur einen Teil der Strecke im Bus zurücklegten.

Die Busfahrt war sehr abenteuerlich, teilweise nur wenige Zentimeter von steilen Klippen entfernt –mit Gegenverkehr. Kein Wunder, dass hier viele Nepalesen verunglücken. Aber ich hatte ein tiefes Urvertrauen in die Busfahrer. Zudem kommt hier die Gefahr von Erdrutschen. Einige der Bergpässe müssen schnell überquert werden, da hier immer wieder fette Felsen herunterstürzen.

Und tatsächlich kam unser Bus zum Stehen, da die Straße vor uns erst geräumt werden musste. Saroj war die Weiterfahrt etwas unangenehm und er rat David und mir, auszusteigen und die gefährlichste Stelle zu Fuß zu überqueren, bis uns der Bus dann später wieder eingeholt hatte.

Das taten wir auch. Und als kleine Kieselchen am Felshang herunterrieselten, rief Saroj plötzlich: „Run!“ und rannte los. Ebenso der Guide einer blonden Wanderin von der gegenüberliegenden Seite. David und ich, zu diesem Zeitpunkt schon so einiges gewohnt, amüsierten uns über unser kleines Abenteuer und in der Mitte des Weges blieben wir kurz stehen, um die verdutzte Wanderin zu begrüßen. Wir wurden von unseren Guides aber schnell mit deutlicher Panik in ihren Stimmen zurechtgewiesen, sodass wir unsere Wege kreuzten und zur anderen Seite rannten. Nichts war passiert.

Nach etwa einer Stunde konnte der Verkehr wieder zaghaft aufgenommen werden und unser Bus holte uns ein. Und setzte Saroj und mich in Tatopani aus, wo wir uns von David verabschiedeten und mit einem Jeep-Taxi nach Poonhill weiterfahren wollten.

Leider schien es einen weiteren Erdrutsch gegeben zu haben, weshalb wir erneut zwei Stunden auf unsere Weiterfahrt warten mussten, in denen wir Corby und Hannis Guide wiedertrafen.

Am Abend erreichten wir schließlich unser Hotel nahe der Poonhill-Bergstation, wo uns eine Gruppe von schmatzenden Nepalesen in Beschlag nahm und unseren „Todesmut“ kaum fassen konnten, den Pass in diesen winterlichen Konditionen überquert zu haben. Saroj war zum Glück gut darin, die vielen teils privaten Fragen der Nepalesen abzufangen, von denen ich ehrlicherweise ein wenig genervt war. Ich war nicht in der Stimmung fürs Socialisen und wollte meine Ruhe, die ich letztendlich auch im kalten Hotelzimmer fand.

Tag 12: Sonnenaufgang in Poonhill, Abstieg nach Nayapul und Rückkehr nach Pokhara

Um 4:30 Uhr starteten wir unseren Aufmarsch zur Poonhill-Bergstation, der vom Hotel aus etwa 45 Minuten dauerte. Wir waren die ersten, die in völliger Dunkelheit ankamen. Nach und nach kamen mehr Menschen. Nach Tagen des Alleinseins mit unserer Gruppe war es etwas surreal, die vielen westlichen wie nepalesischen Touristen zu sehen, die entweder in einer Tagestour oder mit dem Bus angereist waren, um den Sonnenaufgang zu bewundern.

Der Sonnenaufgang war ohne Frage wunderschön mit dem Annapurna-Massiv im Hintergrund – allerdings hatten wir in den vergangenen Tagen in den Bergen schon eindrucksvollere Impressionen erlebt.

Da wir einen weiten Weg vor uns hatten und nicht mit zu vielen Touristen mitgehen wollten, machten Saroj und ich uns schnell auf den Weg zurück ins Hotel. Nach dem Frühstück starteten wir unseren Marsch nach Nayapul, von wo wir den Bus zurück nach Pokhara nehmen wollten.

Der Weg war sehr schön und so ganz anders als die Eindrücke von den Tagen zuvor. Wir waren wieder deutlich unter 3.000 Höhenmetern, die Landschaft blühte, war grün und frühlingshaft. Der steile Abstieg, der über mehrere Stunden andauerte, war ganz schön anstrengend und mein Rücken hatte meinen viel zu schweren Rucksack deutlich satt.

Ich bemitleidete aber umso mehr die vielen Wanderer, die uns auf dem Weg entgegenkamen und die ganzen Stufen aufwärts liefen. Da war es mir doch lieber, bergab zu gehen.

Um 15 Uhr erreichten wir Nayapul und nahmen von dort ein Taxi zurück nach Pokhara, da niemand wusste, wann und ob überhaupt noch ein Bus fahren würde. Saroj und ich verabschiedeten uns schließlich – er fuhr mit einem Nachtbus zurück nach Kathmandu, während ich in meinem alten Hotel unterkam, in dem ich auch mein anderes Gepäck verstaut hatte.

Wie ein Wilder verputzte ich an dem Abend alle süßen Vorräte (vor allem Kekse und ein Glas Erdnussbutter), die ich mir eigentlich für den Trek gekauft, dann aber doch nicht mitgenommen hatte, da mein Rucksack sowieso schon zu schwer war.

Ich hatte die schönste heiße Dusche und Rasur meines Lebens und schlief – ohne zu frieren – in einem weichen Bett ein. Mein Trek und damit eines der größten Abenteuer meines Lebens waren beendet.

Fazit: Was habe ich vom Trek mitgenommen?

Ohne Zweifel war die zwölftägige Reise entlang des Annapurna Circuits das Highlight meiner insgesamt sechsmonatigen Zeit in Nepal. Zwar sind wir letzten Endes nicht die gesamte Strecke gelaufen, aber ich bereue es nicht, die letzten paar Tage, die hauptsächlich entlang einer Straße führen, abgekürzt zu haben.

Ein solches Abenteuer schweißt zusammen. Vor allem aus David, Saroj, Nike, Fabi und mir wurden echte Gefährten, die auch heute noch in Kontakt miteinander stehen. Aber auch die Begegnung mit den anderen Persönlichkeiten, die sich dem Trek zu dieser Jahreszeit (und während Covid) widmeten, war inspirierend.

Unfassbar sind für mich die Menschen, die in diesen eigentlich lebensfeindlichen Regionen leben. Allein der Gedanke daran erfüllt mich mit großer Demut.

Interessant ist, wie anpassbar wir Menschen sind. Fast eine Woche ohne Internet, mehrere Tage ohne fließendes Wasser und minus 25 Grad Celsius in einfacher Holzbehausung hätte ich mir vorher schwer vorstellen können. Aber irgendwie geht es, zumindest für ein paar Tage.

David und Nike bewundere ich für ihre Tapferkeit. Ich selbst kam zwar ebenfalls teilweise an meine Grenzen, musste sie aber nicht überwinden. Am interessantesten war für mich der meditative Aufstieg ins High Camp im Schneesturm. Hier wurden mir meine eigene Vergänglichkeit und gleichzeitig mein Wille bewusst. Denn hier gab es kein Zurück mehr und Stillstand hätte den Tod bedeutet, da kein Rettungshelikopter hätte herkommen können. Wir waren wahrlich am Ende der Welt. Und trotzdem gab es Pizza im High Camp.

Weniger dramatisch, aber eindrucksvoller war der Aufstieg zum Thorong La-Pass am nächsten Morgen in völliger Stille und Isolation beim leisen Aufgehen der Sonne. Und am freudigsten war unsere Besichtigung der Klöster in Muktinath, nachdem wir den Pass gemeinsam überwunden hatten.

Es gab viele schöne Momente. Und natürlich viele Momente, in denen ich einfach nur noch in einem warmen, gemütlichen Bett liegen wollte, weil es bitterkalt war und mein Rücken streikte. Ich empfehle jedem, wirklich darauf zu achten, den Rucksack so leicht wie möglich zu packen.

Wir alle hatten in den Tagen nach unserem Trip mit verbrannter Haut, aufgerissenen Lippen und spröder Nase zu kämpfen. Aber das Gefühl und der eigene Stolz machten alles wett. Ich dachte, mich könne nichts mehr in dieser Welt aufhalten. Mein Vertrauen in mich selbst hatte ein nie dagewesenes Hoch, und auch heute zehre ich sehr von meinen Erinnerungen und den vielen Eindrücken.

Wer also überlegt, den Annapurna Circuit zu wandern, dem spreche ich eine klare Empfehlung aus. Wer sich den Februar nicht zutraut, der findet im Oktober, November, März oder April etwas angenehmere Konditionen vor. Aber eben auch deutlich mehr Wanderer, was gut und schlecht sein kann.