Vom Eis ins Feuer – Ein Monat im Süden Indiens

Ich weiß. Ich bin spät dran. Die Ereignisse dieses Blogbeitrags liegen bereits neun Monate zurück. Nichtsdestotrotz möchte ich mein vergangenes Jahr Revue passieren lassen und dafür das späte Aufarbeiten meiner Reise auf meinem Blog nutzen, sozusagen als therapeutische Maßnahme.

Am 3. März 2022 war ich von meinem Trek durchs Himalaja-Gebirge zurückgekehrt. Die darauffolgende Woche verblieb ich im schönen Pokhara, traf alte Reisegefährten wieder, erholte mich beim Switch-Spielen, schrieb einige Artikel, gönnte mir gleich zwei Massagen, lernte noch neue Bekannte kennen (die ich später in Indien, Indonesien und Thailand wiedertreffen sollte) und plante meine Weiterreise.

Auf dem Schirm für meine nächste Destination hatte ich Sri Lanka, Thailand und Indien, aber ich entdeckte bei meiner Recherche auch die Schönheit Indonesiens. Letzten Endes entschied ich mich für eine Weiterreise nach Indien, weil es dort keine Einreiseauflagen für Ungeimpfte gab und ich die Quarantäneregelungen der anderen Länder noch abwarten wollte, da sich die Covid-Situation weltweit zu entspannen begann. Einen Monat galt das Visum in Indien, das online mindestens fünf Tage vor Einreise zu beantragen war. (Dieser Fakt sollte mir Monate später noch einmal fast das Reisegenick brechen.)

Nach der bitteren Kälte in den vergangenen Wintermonaten sehnte ich mich nach Wärme, Sonne und Strand. Und da ich beim Bungeesprung am ersten Tag des Jahres mit Rhea und Cornelia zwei Einwohner Goas kennengelernt hatte, entschied ich mich für eine Reise nach Goa. Zudem wollte ich gerne mal eine Millionenmetropole kennenlernen und spaßenshalber schauen, ob Bollywood gerade westliche Schauspieler sucht. Mumbai sollte also meine zweite Station in Indien werden. Der Plan war gefasst, das Ticket gebucht!

Inhaltsverzeichnis

Zwischen Pokhara und Kathmandu: Bandipur und Gorkha

Ich nahm Abschied vom schönen Pokhara. In dieser Stadt am See hatte ich mich beinahe zwei Monate lang sehr wohl gefühlt und viele interessante Menschen kennengelernt, mit denen ich auch heute noch gelegentlich im Kontakt stehe.

Goodbye, Pokhara!

In Nepal standen noch zwei Orte auf meiner Liste, die zwischen Pokhara und Kathmandu liegen. Einer davon war Bandipur, einer der beschaulichsten und europäischsten Orte, die ich in Nepal je gesehen hatte.

Nach einem Tag in Bandipur, das definitiv einen Abstecher wert ist, fuhr ich mit lokalen Bussen weiter nach Gorkha, der Sitz früherer Könige, Gründungsort der berühmten nepalesischen Gurkha-Armee und Epizentrum des zerstörerischen Erdbebens 2015.

Entsprechend war die imposante Burg, für die 1.500 Stufen bergauf zurückgelegt werden müssen, leider immer noch eine Baustelle. Der Rest des Ortes hat nicht sonderlich viel zu bieten, sodass Gorkha die Reise nicht unbedingt wert ist.

Meine allerletzte Woche in Nepal verbrachte ich schließlich in Kathmandu, wo alles begonnen hatte. Ich durfte glücklicherweise in meiner alten Schule unterkommen und nahm Abschied von den herzlichen Menschen, die mich in meinen ersten drei Monaten begleitet hatten. Auch meinen ehemaligen Guide Saroj besuchte ich in seiner Heimatstadt Bhaktapur während des Holi-Festivals.

Meine Wintersachen und einen Großteil meiner Souvenirs schickte ich zurück nach Deutschland, wobei mir eine sehr freundliche Britin das Gepäck abnahm. Sie flog mit einem leeren Koffer nach Großbritannien und verschickte meine Sachen dann von dort nach Deutschland, da die Post-Kosten innerhalb Europas bei weitem günstiger waren. Ich bin dieser hilfreichen Geste einer Fremden, die mir dieses selbstlose Entgegenkommen auf Facebook anbot, immer noch sehr dankbar.

Mein ehemaliger Host und neuer Bruder Niranjan brachte mich zum Flughafen, wo mein Flieger nach Neu-Delhi abhob. Meine lehrreiche, schöne, anstrengende, unvergessliche und erlebnisreiche Zeit in Nepal hatte nach knapp sechs Monaten ihr Ende gefunden. Danke für alles, Nepal!

Ankunft in Indien: Sonnenschein und Reisestress in Goa

Von Neu-Delhi ging es weiter nach Goa, wo ich nachts landete und in mein Flughafennahes Hotel eincheckte. Alles wirkte so vertraut, so nepalesisch im Standard, ebenso vermüllt, aber so ganz anders: tropisch, mit roter Erde, warmen Temperaturen und dem Meer in Sicht.

Meinen ersten Morgen in Indien verbrachte ich damit, eine SIM-Karte zu organisieren, was sich als gar nicht so einfach herausstellte. Glücklicherweise kannte ich Rhea und Cornelia, die mir beide ihre Daten zuschickten, um für mich zu bürgen, da ich ansonsten keine SIM-Karte hätte erhalten können.

Ein Taxi brachte mich dann nach Arambol ganz im Norden Goas. Goa ist der kleinste indische Bundesstaat und war das einzige Kolonialgebiet der Portugiesen. Goa ist bekannt für seine Partys, für seine Expat-Szene und seine wunderschönen Strände. Durch die frühere portugiesische Besatzung stehen in Goa so einige europäisch anmutende Gebäude – und viele Goaner sind Christen statt Hindus. Deshalb wird Goa nachgesagt, der seichte Einstieg in Indien zu sein.

Ich wollte Goa von Norden nach Süden bereisen und in der Mitte Rhea und Cornelia besuchen, die in Mapusa lebten. Arambol, meine erste Station, ist bekannt für sein chilliges Flair mit Yoga, Meditation und Technopartys am Strand.

Der Strand und die Sonne waren eine Wonne für meinen Körper, der sich gerade erst vom Himalaja-Trek erholt hatte. Arambol empfand ich wirklich idyllisch, auch wenn ich mit keinem Touristen in Kontakt kam, da ich zur Nebensaison da war und sich Indien gerade erst nach der Covid-Zeit geöffnet hatte. Es war also kaum etwas los.

Eigentlich wäre ich gerne länger in Arambol geblieben, doch ich hatte etwas Zeitdruck: Binnen zwei Wochen wollte ich alles von Goa gesehen haben und die restlichen zwei Wochen in Mumbai verbringen.

Denn parallel bewarb ich mich mit einem Casting-Video bereits auf Bollywood-Ausschreibungen mit Dreh in Mumbai, die ich auf Facebook gefunden hatte. Und ich bot an, in den nächsten zwei Wochen zur Verfügung zu stehen. Naiv – das war ein Druck, den ich mir im Nachhinein durchaus hätte sparen können. Am Ende kam nämlich nichts aus meinen Bewerbungen heraus, außer ein vermutlicher Betrugsversuch, doch dazu später mehr.

Anjuna, Panaji, Old Goa und Colva

Nach zwei Tagen reiste ich schon weiter nach Anjuna, wo ich erst in einem Coworking-Space, dann in meinem eigenen Apartment übernachtete. Anjuna war voll mit partywilligen indischen Touristen, die teilweise von den Goaner Einwohnern verachtet werden, da sie für Müll, Krach und teilweise Ärger sorgen. Natürlich ist das sehr pauschalisiert, aber auch ich fühlte mich nicht so recht wohl.

Rhea und Cornelia zeigten mir einige Ecken Nordgoas, wir gingen gemeinsam auf einem nächtlichen Flohmarkt tanzen (ein interessanter Mix!) und ich hatte mit ihnen meine allererste Surfstunde! Surfen hat so richtig Spaß gemacht und war im ruhigen arabischen Meer deutlich einfacher als einige Wochen später in Indonesien.

Ich behielt mir vor, nach Goa zurückzukehren, wenn es in Mumbai mit den Schauspielrollen nicht geklappt hätte. Also war der Abschied von Cornelia und Rhea erst einmal nur temporärer Natur.

Panaji, die Hauptstadt Goas, war meine nächste Destination. Die Stadt und das unweit gelegene, historische „Old Goa“ habe ich zusammen mit einem stillen Mangrovenwald innerhalb eines Tages erkunden können.

Weiter ging es mit dem Bus nach Colva, wo ich mir ein Fahrrad auslieh, mit dem ich den Strand, das historische Museum und die Örtlichkeiten erkundete. Einen Tag später fuhr ich dann das erste Mal mit dem indischen Zug! Es ging hinein ins Land – in den Dschungel von Kulem, um die Dhudhsagar-Wasserfälle und den Sri-Mahadev-Tempel zu erkunden. Auf dem Rückweg kamen mein Motorradtaxi und ich noch an einer Gewürzfarm vorbei, wo ich eine Führung mitnahm.

Paradies in Palolem

Bald ging es auch schon weiter nach Palolem im Süden Goas, um mich mit Viktoria zu treffen. Viktoria, eine Deutsche, wollte ursprünglich den Himalaja-Trek mit mir wandern, wurde aber wenige Tage vorher krank.

Wir hatten uns bei unserem Treffen in Pokhara gut verstanden und blieben in Kontakt. Auch Viktoria reiste von Nepal weiter nach Indien und buchte ein Yoga-Retreat in Palolem – ein Ort, der mir auch von Rhea empfohlen wurde.

Und meine Güte, was für ein wundervoller Strand! Ich fand eine günstige Strandhütte, in der ich bei Wellenrauschen einschlief. In nur zwei Minuten war ich von meinem Bett im Meerwasser. Es waren kaum Touristen da, wir hatten unser Idyll fast für uns allein.

Das viele Reisen der letzten anderthalb Wochen hatte mich ehrlicherweise ganz schön gestresst. Immer nur zwei/drei Nächte an einem Ort zu verweilen, nebenher die Weiterreise zu planen, mich auf Castings zu bewerben und an Artikeln zu arbeiten setzte mich unter Druck. Ich beschloss für mich, dass diese Art des Reisens nichts für mich ist, und nahm mir für Palolem etwas mehr Zeit.

Gemeinsam Jessie und Gayel aus Viktorias Yoga-Retreat erkundeten wir die Gegend oder ließen es uns einfach am Strand oder einer Strandbar gut gehen. Bei einem morgendlichen Ausflug auf Monkey Island (von dort wollte ich eigentlich Delfine sehen) versetzte mir ein Ausrutscher auf eine scharfe Muschel einen tiefen Schnitt in den Zeh, sodass ich ein wenig humpeln musste. Einen weiteren Morgen lieh ich mir ein Paddelboot aus und paddelte weit hinaus ins Meer, um die besagten Delfine zu besichtigen. Wieder nichts. Mein Wunsch, Delfine zu beobachten, blieb unerfüllt, aber das war auch in Ordnung.

Und so vergingen meine etwas mehr als zwei Wochen in Goa wie im Fluge. Es wurde Zeit für Mumbai!

Gestrandet in der Millionenstadt Mumbai

Zurück in der Mitte Goas nahm ich den Nachtzug nach Mumbai. Ich war schon sehr gespannt auf diese Erfahrung. Am Bahnhof sprach mich eine adrette Inderin an, die nach ihrem Abteil suchte und welcher der Nachtzug nicht ganz geheuer zu sein schien. Ehrlicherweise war er mir das auch nicht, denn fast noch mehr als in Nepal wurde ich als einziger westlich Aussehender beäugt, ständig angequatscht und zudem herrschte ein starkes Gewitter, das den Strom im Bahnhof regelmäßig ausfielen ließ.

Es stellte sich heraus, dass Chitra – so der Name der Inderin – im gleichen Abteil saß wie ich, und so traten wir die unbequeme, zwölfstündige Zugreise gemeinsam an, beruhigt, dass wir nicht alleine waren.

Die ersten Nächte in Mumbai teilte ich mir ein Hotelzimmer mit Oliver, einem der Dänen vom Himalaja-Trek. Er war zufällig auch in der Stadt und so teilten wir uns in die Zimmerkosten und schauten The Batman im Kino. Leider war er krank, sodass uns gemeinsames Sightseeing nicht vergönnt war.

In Mumbai war ich ziemlich planlos und fühlte mich ein wenig verloren. Zum einen hatte ich kaum Rückmeldungen von meinen Schauspielbewerbungen erhalten. Wenn, dann handelte es sich um Absagen, weil lediglich indische Schauspieler gesucht wurden. Zum anderen hatte ich etwas Pech mit meinen Hotels und Hostels, die beim Buchen unzuverlässig waren und ich nach Olivers Abreise fast jeden Tag in einem anderen Hostel übernachtete.

Mumbai ist krass. Über 20 Millionen Menschen leben in der Stadt, drei weitere Millionen im unmittelbaren Umfeld. Alles ist komplett überfüllt, die Straßen sind ein Chaos, der Kontrast zwischen Arm und Reich ist unübersehbar (die modernsten Hochhäuser stehen quasi neben dem größten Slum Asiens) und das Bahn- wie Tuktuk-Fahren ein echtes Abenteuer. Mir wurde gesagt, dass in Mumbai täglich etwa sechs Menschen durch den öffentlichen Nahverkehr sterben – und wer einmal im Subway mitgefahren ist, weiß warum:

Es gibt keine Türen. Die Wagons sind so dermaßen überfüllt, dass die Menschen am „Tür“platz so weit nach außen lehnen, dass sie entweder vom entgegenkommenden Zug leicht erfasst werden oder sie irgendwann den Halt verlieren.

Dennoch besuchte ich vorsichtig einige Attraktionen und machte Ausflüge. Teilweise mit Chitra, die mich zu ihrer Familie zum Essen und sogar zur Hochzeit von Freunden einlud. So wurde ich zum ungewollten Ehrengast einer indischen Hochzeitsgesellschaft (eine Hochzeit dauert hier drei Tage).

Chitra half mir auch bei meinen Schauspielbewerbungen. Ich erhielt schließlich zwei Zusagen, wobei eine davon ein ganz offensichtlicher Betrug war. Die zweite Zusage klang glaubwürdiger, jedoch wurde ich wieder und wieder hingehalten. Natürlich war ich äußerst vorsichtig, sodass ich eines Tages einfach zur Büroadresse der Agentur in der „Film City“ fuhr – ein großes Areal voll mit Filmstudios für Bollywood-Filme. Allerdings war die Adresse ein Fake und niemand kannte die Agentur. Ich hatte mich also umsonst hinhalten lassen.

Letzten Endes wollte ich gerne noch mal ein paar Tage in Goa verbringen, um der Großstadt zu entkommen, allerdings gab es keine freien Plätze mehr im Zug oder Bus. So kam es, dass mich Chitra bei sich aufnahm und ich sechs Tage bei ihr und ihrem Mann als Gast lebte.

Sie wohnt in einem Vorort Mumbais, wo es wenigstens etwas ruhiger war. Ich genoss die Gesellschaft von Chitra, ihrem Mann Mitesh und ihrer besten Freundin Kirti, und so lernte ich die indische Kultur natürlich noch einmal viel eindringlicher kennen. Es formte sich eine Freundschaft, die bis heute anhält.

Insgesamt hat mir Indien nicht so gut gefallen wie Nepal, was aber auch an der kurzen Zeit und meinem selbstgemachten Reisestress lag. Die Strände in Goa waren traumhaft und die Inder sehr gastfreundlich, was mir vor allem Chitra und ihre Familie zeigten.

Selbstverständlich gab es auch aufdringliche Zeitgenossen, und das Angestarre (ich hatte außer Oliver keinen anderen Touristen in meinen zwei Wochen in Mumbai getroffen) ging mir ehrlicherweise sehr auf die Nerven. Aber schwarze Schafe gibt es bei so vielen Menschen immer, die dann negativ auffallen und das Gesamtbild für so viele andere herzliche Persönlichkeiten beeinflussen. Ich habe meine Reiseentscheidung nie bereut und werde mir sicherlich irgendwann auch andere Teile Indiens anschauen.

Meine weitere Reise führte mich nach Indonesien. Davon erzähle ich im nächsten Blogbeitrag.