Seit über drei Monaten befinde ich mich bereits auf Malta. Eigentlich hatte ich vor, diesen Blog schon viel eher fertigzustellen und regelmäßig Updates zu posten, aber mela. Mela ist ein maltesisches Wort mit einer Vielzahl an Bedeutungen; bei Nicht-Maltesern hat es sich aber im Sinne von „Was soll‘s“ und „Kann man nichts machen“ etabliert, was auch wahrlich die Lebenseinstellung vieler Malteser zu sein scheint. Ein maltesisches Hakuna Matata, sozusagen.
Da dieser Artikel überlang geworden ist, unterteile ich ihn in mehrere Abschnitte, die ihr unabhängig voneinander lesen könnt, sollten euch bestimmte Aspekte nicht interessieren.
Inhaltsverzeichnis
Warum reise ich?
Die Frage nach mehr Sinn in meinem Leben und meiner Arbeit trieb mich schon länger um. Hinzu kam, dass ich mich in meinem Job festgefahren und durch die Covid-Lage eingesperrt fühlte. Alles in mir schrie nach Ausbruch. Zudem trug ich den Wunsch, zwischen zwei Jobs noch einmal länger zu verreisen, bereits seit dem Ende meines Studiums in mir. Klar, die aktuelle Situation lädt nicht gerade zum Aufbruch ein, jedoch war ein weiteres Verharren im Stillstand keine Option mehr für mich. Jetzt oder nie, galt es!
Langfristig möchte ich gerne in den Bildungsbereich wechseln. Bereits in meiner Masterarbeit beschäftigte ich mich ausführlich mit der Konzeption von digitalen Lernspielen speziell für den Schulunterricht, und dieser Richtung möchte ich beruflich gerne folgen. Wie? Das weiß ich selbst noch nicht – auch dafür wollte ich mich in eine komplett andere Umgebung werfen, Inspirationen aufsaugen, mehr Zeit zum Nachdenken finden und vielleicht etwas Unterrichtserfahrung als freiwilliger Englischlehrer sammeln.
Warum Malta?
Durch meinen alten Schulfreund Daniel, der bereits seit mehreren Jahren auf Malta lebt, wurde ich auf dieses kleine Inselchen aufmerksam, das als Paradies für digitale Nomaden gilt.
Als Gründer von CoCoHub ist Daniel ein Pionier des sogenannten Coliving-Konzepts. Das Prinzip des Colivings ist der schnelle Aufbau einer Gemeinschaft im Ausland, die aus gleichgesinnten digitalen Nomaden besteht. Ortsunabhängige Angestellte, Freiberufler und Unternehmer leben in einer großen Wohngemeinschaft zusammen, die gleichzeitig einen Platz zum Arbeiten mit Schreibtischen und schnellem Internet bietet. Während sie tagsüber in diesem Coworking-Bereich an ihren Laptops arbeiten, nutzen sie ihre Freizeit gemeinsam zum Austausch und Entdecken.
Dieses Konzept klang ideal für mich und meine Ziele – und ich denke auch, dass Coliving dank der neuen Akzeptanz für Home-Office-Arbeit sehr zukunftsträchtig ist. Warum von Zuhause aus arbeiten, wenn es von einer mediterranen Insel mit über 300 Sonnentagen im Jahr genauso gut funktioniert?
Was mache ich hier?
Ich arbeite auf Teilzeitbasis weiterhin für die PR-Agentur ToLL Relations, was mir eine gewisse finanzielle Stabilität garantiert und wofür ich meinen Chefs sowie meinem Team sehr dankbar bin. Zudem plante ich, mich nebenher als Freelancer auszuprobieren und zu schauen, ob mir dieses Konzept liegt bzw. wie einfach oder schwer es ist, an Aufträge zu kommen.
Ursprünglich wollte ich von Mai bis Juli 2021 in Malta bleiben und mit meiner reduzierten Arbeitszeit einen seichten „Ausstieg“ wählen. Im August sollte es dann nach Nepal gehen, wo ich – gemäß meinem Ziel, die Bildungsbranche zu erobern – an einer Schule als Englischlehrer aushelfen wollte. Doch während ich gerade auf Malta Fuß fasste, wütete die Covid-Delta-Digitation in Asien. Nahezu der gesamte Kontinent ist nun für Besucher geschlossen, was meine Pläne gehörig durcheinanderbrachte.
Aber der Reihe nach.
Malta-Monat 1: Coliving und Wohnungssuche
Vorbereitung und Ankunft
Alle Vorbereitungen waren getroffen. Meine Wohnung in Mainz war untervermietet, eine Auslandskrankenversicherung abgeschlossen, diverse Impfungen für Asien injiziert und auch sonst befand sich alles im Gepäck, was man auf großer Reise so braucht.
Mit übervollem Sack und Pack ging es Ende April zunächst in meine Heimat Dresden, um mich von meinen Liebsten zu verbschieden. Etwa zwei Wochen später sollte mein Air-Malta-Flieger in München abheben. Nach einem kurzen Zwischenstopp in Regensburg wurde ich schließlich am 2. Mai 2021 von einer angenehmen Hitze auf Malta begrüßt.
Für den ersten Monat hatte ich ein rabattiertes Zimmer in einem Coliving-Haus gebucht. Mein Einzug startete direkt mit einer großen Willkommensfete für alle Neuankömmlinge mit etwa 25 Gästen, was mich nach mehr als einem Jahr an Corona-Maßnahmen und etwas Reiseerschöpfung ehrlicherweise ein wenig überforderte. Generell brauchte ich meine Zeit, um mich auf 14 neue Mitbewohner einlassen zu können. Anfangs zog ich mich noch häufig in mein Zimmer zurück, da mir der Trubel zusammen mit den neuen Eindrücken zu viel wurde.
Auf Wohnungssuche
Das sollte sich zwar bald ändern, jedoch musste ich mich bereits nach einer Woche entscheiden: Wollte ich auch im Juni und Juli weiter im Coliving bleiben und eine nicht mehr rabattierte, ziemlich hohe Miete zahlen? Noch überwältigt von den Eindrücken und wissend, dass die Miete ab Juni mein gesamtes Grundeinkommen der Teilzeitarbeit fressen würde, entschied ich mich dagegen. Und so wurde der Mai auch zum Monat der Wohnungssuche.
Auf Malta gibt es mit Flatmate eine Plattform zur WG-Suche analog zu wg-gesucht.de, die zwar strukturell ähnlich, kulturell aber doch unterschiedlich funktioniert. Anders als in Deutschland werden die Inserate kaum von den Mietern verwaltet, die einen neuen Mitbewohner suchen. Eher inserieren hier die Landlords, sprich die Vermieter. Für sie spielt es oft keine Rolle, wer da eigentlich zusammenwohnt, solange jemand monatlich die Miete zahlt, was es etwas schwieriger macht, mit den potenziell künftigen Mitbewohnern vorab in Kontakt zu kommen. Zudem ist die Plattform deutlich von der maltesischen „Mela“-Mentalität geprägt: Die meisten Anzeigen werden etwa zwei Wochen vor dem Einzugsdatum überhaupt erst online gestellt, was mein deutsches Sicherheitsbedürfnis zunächst nur schwer ertragen konnte.
Zudem spielte ich mit dem Gedanken, eine größere Wohnung oder gar ein Haus zu mieten und die restlichen Zimmer selbst bei Airbnb zu bewerben, um ein wenig Gewinn mitzunehmen oder zumindest meine eigenen Mietkosten damit zu decken. So kam ich auch zu meinem ersten richtigen Kontakt mit einem Einheimischen: einem maltesischen Millionär, der sich alten Häusern annimmt, diese renoviert und später zu einem deutlich höheren Preis wieder verkauft oder vermietet. Auch wenn er mir eines Nachts unverhofft mehrere seiner Projekte und später sein eigenes Anwesen zeigte und ich mir nicht ganz sicher war, ob er sich von unserer nächtlichen Rundfahrt samt Wein nicht doch etwas mehr von mir erhofft hatte, wurde ich zum ersten Mal mit der maltesischen Hilfsbereitschaft konfrontiert. 25 Minuten quer durch die Insel fahren, um einen Fremden abzuholen, nur damit er nicht mit dem Bus fahren muss? Eine Selbstverständlichkeit!
Allerdings gestaltete sich das Unterfangen, eine passende (und nicht renovierungsbedürftige) Wohnung samt Erlaubnis der Eigenvermietung zu finden, schwieriger als gedacht. So gewannen dann eine Woche vor meinem Auszug doch mein Bedürfnis nach Sicherheit und eine WG mit einer deutschen Mitbewohnerin.
Das Leben im Coliving-Haus
Nach etwa zwei Wochen hatte sich meine Schüchternheit gelegt und ich begann, den Trubel und die ständige Präsenz von Menschen um mich herum zu genießen. Besonders der Einzug einer Niederländerin und eines ungarisch-russischen Paares, mit denen ich mich sehr gut verstand, hat mich auftauen lassen.
Die Coliving-Villa bietet viele Annehmlichkeiten: eine große Dachterrasse mit Jacuzzi, einen Garten mit Pool, einen integrierter Fitness-Raum und allem voran natürlich die Gesellschaft interessanter Menschen. Da gibt es den Krypto-Enthusiasten, den Daytrader, die Programmiererin einer Lehrerplattform für digitalen Unterricht (also genau mein Thema!), den Sales-Leiter einer Lernplattform (auch mein Thema!), die freiberufliche Tätowiererin, den nach finanzieller Unabhängigkeit suchenden App-Entwickler und und und.
Viele Mitbewohner befanden sich wie ich in einem Angestelltenverhältnis und kamen nur für wenige Wochen oder Monate nach Malta, um dem Home-Office einen sonnigen Anstrich zu verleihen. Nicht wenige lebten aber auch bereits seit einem halben Jahr oder länger auf Malta. Sehr häufig landeten sie dann früher oder später in der sogenannten iGaming-Branche, sprich dem digitalen Glücksspiel. Viele große Unternehmen in diesem Bereich operieren von Malta aus und bieten neben lukrativen Gehältern und Aufstiegsmöglichkeiten vor allem eine Vielzahl an Jobs für internationale Bewerber ohne große Einstiegshürden.
Hier auf Malta trifft man auf allerlei interessante Persönlichkeiten, was auch im Coliving-Haus der Fall war, welches ich mit all seinen Facetten am Ende doch sehr genoss.
Wie ist Malta so?
Sonnig. Traumhaft. Staubig. Stressig. Ein wenig zurückgeblieben. Historisch interessant. Manchmal idiotisch. Freiheitsliebend. Mela. Diese Attribute beschreiben meinen persönlichen Mix aus mehr und weniger positiven Eindrücken. Um es kurzzumachen, nachfolgend eine Checkliste aus meinen persönlichen Vor- und Nachteilen von Malta.
Positiv:
- umringt von azurblauem, glasklarem Meer und zahlreichen wunderschönen Stränden
- markante Landschaften mit Klippen, Buchten, Hügeln, Lagunen auf ganz Malta und den angrenzenden Inseln Gozo und Comino
- über 300 Tage Sonnenschein pro Jahr – nicht ein einziger Regentag im Sommer
- kompakte Größe, das heißt man kommt schnell herum, hat aber dennoch viel zu entdecken
- Valletta als traumhafte Hauptstadt bei Tag und bei Nacht
- günstiger öffentlicher Nahverkehr (75 Cent pro Fahrt mit der hiesigen Buskarte)
- historisch beeindruckend mit einer reichen Geschichte, imposanten Bauwerken und 6.000 Jahre alten Tempeln von einer der ältesten und unbekanntesten europäischen Zivilisation
- zwar nicht immer freundliche, aber dennoch stets hilfsbereite Einwohner
- eine sehr große und internationale Community an sogenannten Expats, d. h. Ausländern – hier lernt man schnell Menschen aus aller Welt kennen
Negativ:
- der Verkehr: Es gibt hier mehr Autos als Einwohner und die Städte gehören zu den am dichtesten besiedelten in ganz Europa. Das resultiert in mit dichtem Verkehr überfüllten Gassen mit schmalen oder gar nicht vorhandenen Fußwegen – selten kann man zu zweit nebeneinander auf dem Bürgersteig gehen. Der ständige Verkehr in den beengten Straßen kann durchaus stressig sein und wäre für mich langfristig ein Grund, warum ich hier auf Dauer nicht wohnen wollen würde.
- Der Verkehr hat außerdem zur Konsequenz, dass man sich auf den öffentlichen Nahverkehr kaum verlassen kann – Busse halten sich so gut wie nie an den Fahrplan und nur mit einem Mix aus Google Maps und der hiesigen ÖPNV-App kommt man halbwegs geplant wohin.
- die Mela-Mentalität in allen Bereichen: sei es Fahrlässigkeit beim Häuserbau mit Schimmel als Konsequenz, fehlende Mülltonnen und damit verbunden Müllsäcke auf den Straßen mit Ungeziefer, fehlendes warmes oder kaltes Wasser im Haus (je nach Außentemperatur und Alter des Hauses) und viele weitere kleine Details, die zwar nicht weltbewegend sind, aber auf Dauer einfach immer wieder einen Kopfschüttler verursachen.
- die Hitze: Ich möchte mich freilich nicht beschweren, vor allem wenn man den deutschen Sommer 2021 betrachtet. Aber bis zu teilweise 47 Grad in der Sommersonne machen es beinahe unmöglich, tagsüber das Haus zu verlassen, ohne nicht komplett zu schmelzen.
- Auf Dauer würde mir dann doch mal ein Wäldchen fehlen. Aufgrund des Klimas besteht die natürliche Landschaft eher aus trockenen Büschen; Bäume sind zwar meist künstlich angelegt in Städten zu finden, aber dennoch sehr rar. Generell besteht die Stadt eher aus Beton und es gibt vergleichsweise nur wenige Grünflächen.
- Die Preise in Supermärkten sind höher, da hier kaum etwas wächst und der Großteil der Verpflegung aus Italien importiert werden muss.
Es bleibt natürlich zu sagen, dass dies Meckern auf hohem Niveau ist. Drei Monate Ausland können meine deutsche Nörgel-Mentalität eben nicht sofort tilgen. Für drei bis vier Monate Aufenthalt sind einige der negativen Punkte komplett obsolet und eher Geschmackssache. Nicht umsonst habe ich hier zahlreiche Expats getroffen, die auf Malta hängengeblieben sind, weil die Insel in ihrer Gesamtheit dann doch wunderschön ist.
Malta-Monat 2: Verflogen wie nichts
Trotz Wohnungssuche und Arbeit konnte ich im Mai natürlich dennoch viel erkunden und erleben. Vor allem dank Daniel und seinem Freundeskreis kannte ich schnell die Places-to-be, erhielt direkt viel Hintergrundwissen zu den verschiedenen Orten und hatte auch außerhalb der Coliving-Community stets einen Kontaktpunkt.
Dennoch war mein zweiter Monat in Malta zunächst von etwas Einsamkeit geprägt. Der Wechsel von einer 15-köpfigen in eine ruhige Zweier-WG war ein krasser Wandel. Auch der Lebensstandard in meiner neuen, deutlich günstigeren Wohnung war geringer als im Coliving-Haus. So hatten wir beispielsweise in der Küche gar kein warmes Wasser und in der Dusche nur, wenn man den Boiler mindestens eine Stunde zuvor erhitzt hatte. Das erforderte zunächst etwas Umgewöhnung. Zudem hatte ich ab Juni meine Arbeitszeit noch weiter reduziert, sodass ich erst einmal in ein kleines Loch fiel.
Nichtsdestotrotz hielten mich private Projekte auf Trab. Zunächst war ich als Speaker bei einem Event für digitale Nomaden geladen, welches Daniel organisiert hatte. Dafür galt es eine Rede zu schreiben und diese zu üben (ich werde sie als separaten Artikel bald online stellen). Außerdem trugen meine Bewerbungen als Freelancer erste Früchte und ich wurde ausführlich in das ein oder andere Backend als Redakteur eingearbeitet. Mehr Details dazu folgen zu einem späteren Zeitpunkt. Auch der Veröffentlichung meiner Masterarbeit und dem technischen Aufbau meines Blogs widmete ich einige Zeit.
Weiterhin erhielt ich im Laufe des Monats durch eine Bekanntschaft die Information, dass eine maltesische Sprachschule gerade händeringend nach Englischlehrern suchte, gerne auch mit weniger Lehrerfahrung. Na, das klang doch genau nach der Horizonterweiterung, nach der ich suchte!
Ich bewarb mich und erhielt von meiner Freundin als Mediatorin die Info, dass ich den TOEFL-Test machen müsse, um akzeptiert zu werden. TOEFL ist ein Zertifikat (meist als Nachweis für Universitäten) darüber, wie gut und fehlerfrei die eigenen Englischfähigkeiten beim Lesen, Zuhören, Sprechen und Schreiben sind. Also meldete ich mich dafür an und büffelte eine Woche lang auf die verschiedenen Fragetypen hin. Am Ende hätte ich mir den kostspieligen und zeitaufwendigen Test zwar komplett sparen können, aber immerhin erhielt ich mit 114 von 120 möglichen Punkten eine kleine Bestätigung für mich selbst, dass mein Englisch ganz in Ordnung zu sein scheint.
Statt des TOEFL-Zertifikats hätte ich den TEFL-Nachweis gebraucht – eine Ausbildung speziell für Englischlehrer. Nichtsdestotrotz schmecken auch Fliegen in der Not, und dank meines Anglistik-Studiums erhielt ich den Job als Englischlehrer, der Ende Juni beginnen sollte.
Natürlich habe ich im Juni auch einiges unternommen, so beispielsweise ein Wochenende mit Daniel und seinem Freundeskreis auf den Inseln Gozo und Comino. Dennoch verging der Juni durch die vielen Projekte und einige Abenteuer wie im Flug.
Malta-Monat 3: Hans, der Englischlehrer
Der Juli stand ganz im Zeichen der Arbeit. Morgens arbeitete ich für drei Stunden als Englischlehrer, nachmittags als PR-Manager für meine alte Firma, und am Abend bereitete ich den Unterricht für den nächsten Tag vor.
In den ersten zwei Wochen unterrichtete ich eine Klasse aus etwa 25 Sprachschülern im Alter zwischen 13 und 18 Jahren aus aller Welt. Die meisten meiner Schüler waren Italiener, aber vereinzelt gab es auch Lernwillige aus Deutschland, Japan, Ungarn, Frankreich, Polen, Spanien, Tschechien, Ungarn, Litauen oder Russland. Der Fokus des Unterrichts sollte in der Verbesserung ihrer sprachlichen Fähigkeiten liegen; es galt also, sie möglichst oft zum Reden untereinander zu ermuntern. Keine leichte Aufgabe, waren die Mentalitäten und Sprachlevel doch sehr divers.
Da ich keinerlei Erfahrung als Lehrer hatte und auch kaum Einweisung erhielt, war ich zunächst entsprechend aufgeregt, ins kalte Wasser zu springen. Glücklicherweise bot die Schule zur Selbstlektüre gewisse Orientierungspunkte wie ein bestimmtes Wochenthema und einen „Lehrplan“, der täglich einige Aufgaben pro Thema vorschlug. Sowohl dieser Lehrplan als auch die Ratschläge der erfahreneren Lehrer halfen mir dabei, etwas Struktur in den Unterricht zu bringen, an die ich mich zumindest in der ersten Woche auch hielt.
Das Gute war, dass die Schüler eigentlich zum Urlaubmachen herkamen und viele von ihnen den Englischunterricht eher als ein notwendiges Übel betrachteten. Auch Noten oder Lernziele spielten keine Rolle. Im Grunde hatte ich also 25 Versuchsobjekte vor mir, an denen ich verschiedene Lehrkonzepte ausprobieren konnte!
Das klappte mal mehr und mal weniger, aber bald entwickelte ich ein Gefühl dafür, was gut ankam und was nicht. Vor allem wollte ich den Schülern einige Erfahrungen abseits des Schulunterrichts bieten. Dabei sollten insbesondere mein Rhetorik-Studium und meine Schauspielerfahrungen helfen. Ein spielerisches Rhetorik-Training sowie Artikulations- und seichte Schauspielübungen gehörten bald fest zu meinem Programm. Die Fortschritte waren selbst bei zunächst lernunwilligeren Schülern schnell zu bemerken. Gerade die kleinen Momente machten mich ein bisschen stolz, zum Beispiel als eine sehr schüchterne 14-jährige Japanerin in einer Schauspielübung erstmals aus sich herauskam und mit voller Überzeugung einen schweren Sumo-Ringer mimte, der ein Erdbeben verursachte. Die Kleinen werden ja so schnell erwachsen!
Die zweite Monatshälfte brachte einen weiteren Wandel. Aufgrund steigender Corona-Fallzahlen, am Anfang zu 95% unter internationalen Sprachschülern, entschied die maltesische Regierung, alle Sprachschule binnen zwei Tagen komplett zu schließen. Viele Schüler reisten direkt wieder ab und für die bleibenden stiegen wir auf Online-Unterricht um.
Dieser war wiederum eine ganz andere Erfahrung. Hier betreute ich zwischen fünf und acht Schüler in der virtuellen Klasse. Das erlaubte mir, deutlich persönlicher und individueller mit den Schülern zu arbeiten. Andererseits bot der Campus der Sprachschule nicht die beste Internetverbindung, sodass wir ständig mit technischen Schwierigkeiten und Verbindungsabbrüchen zu kämpfen hatten, die Schüler ihre Kameras nicht einschalten konnten und ich sehr oft in eine Blackbox sprach, ohne so richtig zu wissen, ob und wie meine Worte überhaupt ankamen. Zudem war es mir online nur noch bedingt möglich, mein Rhetorik-, Artikulations- und Schauspielprogramm durchzusetzen. Dazu kam, dass immer mehr Schüler abreisten oder schlechte Laune hatten, weil sie selbst in Quarantäne saßen. Entsprechend bereiteten mir die anderthalb Wochen Online-Unterricht bei weitem nicht so viel Freude wie die Präsenzstunden zuvor.
Die Unterrichtsvorbereitungen kosteten mich stets viel Zeit. Meist arbeitete ich täglich bis etwa 23 Uhr inklusive eines gesamten Tages am Wochenende, um meinem eigenen Anspruch zu genügen und mich nicht auf das Vorlegen langweiliger Arbeitsblätter zu verlassen. Daher erlebte ich im Juli abseits des Arbeitens gar nicht viel.
Aus diesem Grund war ich ehrlicherweise etwas erleichtert, als die Arbeit als Englischlehrer Ende Juli wieder endete, weil einfach zu wenig Schüler übrigblieben und es keinen Bedarf mehr für mich gab.
Aufgrund meines arbeitsreichen Julis entschied ich mich schließlich dazu, noch einen Monat länger auf Malta zu bleiben und meine Festanstellung um weitere vier Wochen zu verlängern. Da noch einmal die WG wechseln und etwas mehr Gemeinschaft erleben wollte, war ich im Juli außerdem auf erneuter Wohnungssuche. Diese ging mit mehr Erfahrung und Lockerheit aber deutlich einfacher und schneller vonstatten.
Malta-Monat 4: Wie Urlaub!
Meine neue WG stellte sich direkt als Glücksgriff heraus. Ich lebe nun mit einem Italiener und einem Franzosen zusammen, die beide im Poker-Business arbeiten. Wir waren direkt auf einer Wellenlänger und vor allem Ivano, mein italienischer Mitbewohner, hat mich direkt in seinen Freundeskreis integriert.
Abseits meiner Arbeit widme ich mich nun wieder meinen eigenen Projekten wie meinem Blog, möchte die Zeit aber auch nutzen, um Malta noch einmal so richtig zu genießen. An der nahen Meerpromenade joggen, in Valletta ausgehen, schnorchelnd nach Oktopussen suchen, am Wochenende Tagesaussflüge unternehmen – all das steht im August auf meinem Programm.
Wie geht es danach weiter? Am 1. September fliege ich zurück nach Deutschland, wo ich nach einem Zwischenstopp in Berlin zwei Wochen in Dresden bleiben werde, um etwas Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden zu verbringen. Mein bester Freund wurde kürzlich Vater – wenn das nicht ein Grund für einen Besuch ist!
Danach werde ich zu einer nächsten Destination in Europa weiterziehen und dort so lange warten, bis Asien wieder offen für Besucher ist. Ich stehe noch immer im Austausch mit der Schule in Kathmandu, in der ich gerne unterrichten möchte, insofern habe ich Asien noch nicht aufgegeben.
Wo es für mich bis dahin hingeht? Das werde ich erst ab Mitte/Ende August planen. Bisher erlebte jedes Land, das ich mir als nächstes Ziel ausgesucht hatte, einen Covid-Anstieg mit nachfolgender temporärer Schließung, daher mache ich keine langfristigen Pläne mehr. Wenn meine Entscheidung gefallen ist, gebe ich hier natürlich ein Status-Update!