Was macht ein PR-Manager in der Videospielbranche?

Ein PRler in der Gamingbranche

In diesem Artikel möchte ich einen Einblick in die abwechslungsreichen Aufgaben geben, denen ein Public-Relations-Manager in der Videospielindustrie täglich nachgeht.

Meine Erfahrungen basieren dabei hauptsächlich auf meiner dreijährigen Anstellung bei der PR-Agentur ToLL Relations, wo ich vordergründig für Sony PlayStation im deutschsprachigen Raum, aber auch für andere Kunden wie Marvelous Europe, KONAMI sowie projektbasiert für Square Enix und Crytek verantwortlich war. Die Publisher- und Entwicklerseite lernte ich hingegen zuvor bei Daedalic Entertainment kennen.

Inhaltsverzeichnis

Kurzzusammenfassung

Für alle, die es eilig haben, hier vorab ein kurzer Überblick: PR-Manager in der Videospielbranche sorgen dafür, dass die Publisher, Entwickler und deren Produkte möglichst positiv in der Presse und auf den Kanälen der Influencer aufgenommen werden – seien es News, Vorschauen (Previews), Tests (Reviews), Let’s Plays, Interviews oder andere Inhalte. Wichtig ist hierbei, dass selbst bei bezahlten Partnerschaften stets die Authentizität im Vordergrund steht, d. h. dass PR keine Meinungen oder plumpe Werbung „einkauft“, sondern die Individualität der Medien und Influencer bestehen bleibt. Nur so können die Endkonsumenten letztendlich eine informierte und unabhängige Kaufentscheidung treffen.

Ins Detail geht es nachfolgend.

Was ist Public Relations?

Public Relations, zu Deutsch auch Öffentlichkeitsarbeit, ist ein Teilbereich des Marketing. Somit unterliegt PR dem Hauptziel der Umsatz- und Wertsteigerung eines Unternehmens bzw. dessen Marken, Produkten und Dienstleistungen.

PR-Manager, Pressesprecher oder Referenten für Öffentlichkeitsarbeit (es gibt die verschiedensten Bezeichnungen für PRler) sind dabei vor allem für das Image und den Bekanntheitsgrad zuständig. Dies erreicht man vordergründig durch eine möglichst positive Berichterstattung in der Presse, aber auch die Arbeit mit Influencern ist mittlerweile ebenso wichtig.

PR und Marketing

Der Unterschied zum werblichen Marketing liegt dabei darin, dass die durch Public Relations hervorgerufene Berichterstattung möglichst organisch und authentisch, das heißt ohne finanzielle Beeinflussung geschehen soll, um die Einstellung und Erwartungshaltung der Endkunden (bestenfalls positiv) zu formen.

Das heißt nicht, dass es nicht auch bezahlte Partnerschaften gibt. Finanzielle Kooperationen mit Pressevertretern und Influencern gehören ebenso zum Tagesgeschäft, allerdings nicht im Sinne von vorgefertigter Werbung. Im Mittelpunkt stehen dann interessante und authentische Inhalte, die von den Partnern selbst kreiert werden, um beispielsweise bestimmte Aspekte eines Produktes vorzustellen, Informationen in unterhaltsamer Weise darzubieten oder schlicht Aufmerksamkeit zu erzeugen. Authentizität ist hier der Schlüssel zum Erfolg, denn das „Einkaufen“ von Meinungen ist ein absolutes No-Go und schadet langfristig der Glaubwürdigkeit aller Beteiligten.

Aufgabenspektrum

Nachfolgend seien branchenübergreifend einige der typischsten Aufgaben gelistet, mit denen sich PR-Mitarbeiter täglich konfrontiert sehen:

  • Planen, Organisieren und Betreuen von lang- und kurzfristigen PR-Strategien
  • Kreieren von kreativen Content-Kampagnen mit Medien und Influencern, teilweise auch auf den eigenen Kanälen
  • Veranstalten, Einladungsmanagement sowie Betreuen von lokalen sowie internationalen (Presse-)Events oder Messen
  • tägliches Bereitstehen für Fragen und Wünsche von Pressevertretern und Influencern
  • Bemustern von ausgewählten Journalisten und Influencern mit den eigenen Produkten
  • Verfassen und Versenden von Pressemitteilungen und News-Alerts
  • Organisieren und Betreuen von Interviews
  • Erstellen von Informationsmaterialien und Pflegen des Presse-Servers
  • Erstellen von Reportings, Analysen und Pressespiegeln
  • je nach Größe und Unterteilung des Unternehmens können zusätzlich weitere Bereiche der Verantwortung der PR-Abteilung unterliegen, unter anderem Content-, Social-Media- sowie Community-Management oder Social Responsibility

Videospiel-PR: Von der Ankündigung bis zum Release

Nun soll es speziell um die Öffentlichkeitsarbeit in der Computerspielbranche gehen. Den Launch eines Produktes unterteile ich dabei in verschiedene Phasen, die normalerweise fließend ineinander übergehen oder sogar parallel stattfinden können – bspw. wenn das angekündigte Spiel kurzfristig verschoben wird.

Es sei angemerkt, dass die unten stehenden Ausführungen nicht nur für Spiele gelten, sondern auch für Services wie PlayStation Plus und PlayStation Now, für neue Hardware und Peripherie (z. B. neue Controller-Farben) oder auch Anlässe wie Geburtstage, Events oder Sales.

1. Die Ankündigung

Der Ankündigung eines Spieles gehen in der Regel allerlei strategische Überlegungen voraus: Wann ist der beste Zeitpunkt, um ein möglichst breites Publikum zu erreichen? In welchem Stadium befindet sich das Spiel zum Zeitpunkt der Ankündigung? Wie viel soll und kann gezeigt werden? Wie weit im Voraus zur geschätzten Veröffentlichung soll die Ankündigung erfolgen? Wie wird das Spiel angekündigt?

Für den Zeitpunkt der Ankündigung gibt es keine allgemeingültige Formel, da zu viele Faktoren zu berücksichtigen sind. Handelt es sich bei dem Spiel um einen (erwarteten) Nachfolger? Gibt es starke Konkurrenz, die gekontert werden muss oder der zuvorzukommen ist? Wie lange ist es her, dass der Entwickler bzw. Publisher einen Hit veröffentlicht hat? Wie steht es um den aktuellen Börsenwert? Welche Stakeholder müssen zufriedengestellt werden? Wann ist die Deadline, um noch möglichst viele Abverkäufe in den Handel zu ermöglichen? Besteht eine Zusammenarbeit mit anderen Marken oder Berühmtheiten, die zeitlich koordiniert werden muss? Abhängig von all diesen Fragen kann es sich lohnen, ein Spiel früher anzukündigen, selbst wenn es noch kein Gameplay zu zeigen gibt, oder etwas länger zu warten, bis die Bombe mit spektakulären Eindrücken platzen kann.

Bei der Art der Ankündigung wiederum ist alles möglich – sei es ein Trailer, ein Teaser, im Rahmen einer Messe, die Veröffentlichung eines Logos auf Twitter, die Erwähnung in einem Interview oder ein geplanter „Leak“. Das Austarieren und Entwerfen von Strategien in enger Zusammenarbeit mit den Entwicklern ist für mich persönlich einer der spannendsten Teile der PR-Arbeit. In großen, internationalen Unternehmen ist dieser Part hauptsächlich der Zentrale überlassen.

2. Sanftes Erinnern

Das Spiel ist angekündigt und die Presse hat es aufgegriffen – der erste Schritt ist getan! Und nun? Nun folgt eine Phase, die ich „Sanftes Erinnern“ nenne. In dieser Phase passiert oft nicht allzu viel, da sich das Spiel noch in Entwicklung befindet. Möglicherweise vergehen nun ein, zwei oder sogar noch mehr Jahre, bis das Spiel erscheint. Jetzt ist es wichtig, dass der Titel nicht in Vergessenheit gerät.

Bei bedeutenden Spielen wird das freilich nicht passieren. Marken wie Final Fantasy oder Zelda lassen sich öfter ein oder mehrere Jahre Zeit, bis man wieder etwas vom angekündigten Spiel hört. Handelt es sich allerdings um eine unbekanntere IP, so lohnt es sich, immer mal wieder mit kleinen Informationseinheiten an den Titel zu erinnern.

Gibt es neue und polierte Screenshots von einem Spielabschnitt, der bereits weitestgehend fertig ist? Super! Können vielleicht schon erste Charaktere, Artworks oder Landschaften gezeigt werden, die Lust auf mehr machen? Umso besser! Ist das Logo final? Ist bereits ein Teil des Soundtracks fertig und vorzeigbar? Stehen die Synchronsprecher fest? Gibt es Meilensteine auf Entwicklerseite?

All diese kleinen Informationshappen eignen sich dazu, das Spiel bei den möglichen Fans in Erinnerung zu rufen. Dabei muss nicht jedes Mal ein News-Alert oder eine Pressemeldung verschickt werden, auch Tweets werden hin und wieder von der Presse aufgegriffen.

Die wichtigste Rolle in dieser Phase fällt aber wohl der Ankündigung eines Veröffentlichungsdatums zu. Steht der Release fest, geht es langsam ums Eingemachte.

3. Hype, Hype, Hype

3.1 Gerne auch mal Ruhe bewahren

Nähert sich der Release, besteht die Hauptaufgabe darin, Hype zu schüren.

Selbstverständlich nur, wenn die PR-Abteilung auch vom Erfolg des Titels überzeugt ist. Erwartungsmanagement ist essenziell und manchmal ist es besser, ein Spiel mit einem Understatement zu veröffentlichen. Schlechte Bewertungen auf Presse- und User-Seite basieren häufig auf zu hohen Erwartungen. Währenddessen werden Spiele, die zu deren Veröffentlichung eher unter dem Radar liefen, häufig etwas später als Underdogs gefeiert, was zu einem zwar verzögerten, dafür aber möglicherweise umso größeren (finanziellen) Erfolg führt.

Und hat der Publisher eine Gurke im Portfolio, so kann es sich lohnen, diese gar nicht zu bewerben, um dem eigenen Ruf nicht zu schaden. Das ist für große Publisher natürlich einfacher zu verkraften als für kleinere Entwicklerstudios, die auf den monetären Gewinn eines Projektes angewiesen sind, um nicht in die Insolvenz zu rutschen.

Eine Möglichkeit, die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Spiels einzuschätzen, liegt in den sogenannten Mock-Reviews. Hier werden freischaffende Journalisten (meist einer pro Kernmarkt) engagiert, um das Spiel in einer frühen Fassung durchzuspielen und ein vollständiges Review samt Wertung zu verfassen, das nie veröffentlicht, aber zur internen Analyse verwendet wird.

3.2 Informationsdichte erhöhen, lokal unterstützen

Gehen wir aber vom Optimalfall aus, dann ist der Aufbau von Hype das Ziel, möglicherweise verbunden mit KPIs wie der Anzahl an Vorbestellungen.

Meiner Erfahrung nach beginnt diese Phase etwa zwei bis drei Monate vor dem Release. Innerhalb kürzerer Zeit werden nun mehrere Trailer veröffentlicht, die sich auf einzelne Aspekte wie das Gameplay oder die Story konzentrieren. Weitere tiefergehende Informationen werden ab jetzt regelmäßig in News-Alerts, Pressemeldungen, Interviews mit ausgewählten Medien sowie in Beiträgen auf den eigenen Kanälen vorgestellt. Die Informationsdichte nimmt in der Phase vor dem Release rasant zu – besonders in den letzten zwei Wochen vergeht selten ein Tag ohne das Herausgeben neuer Details.

Viele dieser Neuigkeiten werden bei international agierenden Publishern von der Zentrale aus gesteuert und lokal lediglich unterstützt, beispielsweise durch das Lokalisieren und das Streuen in regionale Medien. Zeitgleich liegt es in dieser Phase aber auch an den lokalen PR-Teams, marktspezifische Kampagnen umzusetzen, die zuvor in nationalen PR-Plänen erstellt und meist von internationaler Ebene freigegeben worden sind. Nachfolgend eine kleine Auswahl an möglichen PR-Aktionen auf lokaler Ebene:

  • ausgefeilte Pitches an regionale Mainstream-Medien, die ohne einen interessanten Hook oder lokalen Interviewpartner sonst nicht über das Spiel berichten würden (z. B. mit Fokus auf eine bestimmte Thematik der Story oder auf den kulturellen Mehrwert des Spiels, wofür gerne zuvor externe Experten ins Boot geholt und für Interviews angeboten werden)
  • bezahlte Artikel in großen Fachmedien, die noch einmal gewisse Features eines Spiels aufarbeiten
  • unterhaltsame Kooperationen mit hiesigen Influencern
  • das Überraschen von Influencern mit coolem Merchandise, das sie stolz auf ihren Kanälen präsentieren und so ihre Euphorie auf ihre Follower übertragen
  • Partnerschaften mit anderen, im Markt beliebten Marken, Berühmtheiten oder Künstlern
  • aufwendige PR-Stunts in der Öffentlichkeit mit disruptivem Charakter

Auch das Community-Management läuft nun auf Hochtouren und ruft die Fans in diversen Kampagnen zum Mitmachen auf.

3.3 Previews

Elementar für die Pressearbeit sind in dieser dritten Phase zudem Previews, also eine erste neutrale Vorschau von den Medienvertretern.

3.3.1 Preview-Events

Vor Covid war es zumindest bei uns üblich, Preview-Events zu veranstalten, an denen Journalisten und Influencer erstmals die Möglichkeit haben, einen Titel anzuspielen. Oft gibt es ein von internationaler Ebene dirigiertes Hauptevent pro Kernmarkt, das wir lokal mit kleineren Veranstaltungen in weiteren Städten unterstützen. Meist fällt die Wahl auf Berlin, Hamburg und/oder München, da hier der Großteil der Fachpresse und Influencer ansässig ist.

Die spielbare Demo umfasst häufig zwei Spielabschnitte (einer vom Anfang und einer von der Mitte des Spiels), die zusammen etwa drei Stunden Spielzeit in Anspruch nehmen. So gewinnen die Tester einen guten Eindruck vom Kern des Spiels und der Story. Werden Influencer geladen, so sollten diesen auch genügend Gelegenheiten gegeben werden, vor spektakulärer Kulisse zu posieren, um ihre Fans mit tollen visuellen Impressionen zu überraschen, seien es Fotos, Instagram-Storys oder VLOGs.

Der PR-Abteilung kommt hier die Auswahl der Location (wobei es bei größeren Firmen dafür eine eingegliederte Event-Abteilung gibt) sowie die Selektion, das Einladen und Koordinieren der Medienpartner zu. Während des Events werden die Gäste dann von den anwesenden PR-Mitarbeitern gebrieft und mit dem Spiel sowie der Demo vertraut gemacht. Ist der Demo-Abschnitt recht schwer und der Tester eher unerfahren (das kann beispielsweise bei einem Spiel wie Nioh vorkommen, das von einem Journalisten aus der Mainstream-Presse getestet wird), so obliegt es auch hier dem PRler, einzuschreiten und auszuhelfen.

Events, dazu gehören auch Auftritte auf Messen wie der gamescom, gehören für mich zu den Highlights der PR-Arbeit. Das persönliche Treffen der Journalisten, Influencer und Entwickler, mit denen man sonst lediglich im E-Mail- oder Telefonaustausch steht, unterstreicht den „Relations“-Anteil des Jobs, bei dem es auch immer um den Aufbau von Beziehungen geht.

Nach den Events gibt es ein Preview-Embargo – einen Zeitpunkt, ab dem die Vorschauen veröffentlicht werden dürfen. Bei den verantwortlichen PR-Mitarbeitern steht dieser Zeitpunkt im Zeichen der Reportings. Jedoch verfassen nicht alle eingeladenen Medien auch eine Vorschau. Vor allem die sogenannte General-Interest-Presse, sprich fachfremde Medien wie große Tageszeitungen, überprüfen bei Preview-Events häufig eher, ob sich das Spiel überhaupt für einen Test lohnen wird.

3.3.2 Digitaler Preview-Prozess

Während Covid fiel der Event-Aspekt jedoch leider komplett weg. Previews wurden in dieser Phase unterschiedlich von den verschiedenen Publishern gehandhabt, für die wir gearbeitet haben. Ein Ansatz war, Journalisten und Influencer mit einem frühen Download-Code zu bemustern, der bereits das vollständige Spiel beinhaltete. In diesen Fällen regelte ein Preview-Embargo, dass nur Inhalte bis zu einem gewissen Spielabschnitt besprochen und gezeigt werden durften. Im Briefing war dabei meist zu erwähnen, dass sich das Spiel noch nicht im Endstadium befindet und bestimmte Aspekte noch durch einen Patch ausgebessert werden.

Ein anderer Ansatz war, ausgewählten Medien vorab Exklusivmaterial zu präsentieren – häufig im Rahmen eines Interviews mit den Entwicklern, in einem Livestream, in einer zuvor aufgezeichneten Gameplay-Präsentation oder schlicht mit längerem „B-Roll“-Material, sprich das Zeigen von unkommentiertem Gameplay.

Sicherlich gibt es noch viele weitere Möglichkeiten, einen pandemiegerechten Ersteindruck eines Spiels zu vermitteln. Auch diese Form von kreativem „Krisenmanagement“ ist ein Aspekt, der mir an der PR-Arbeit sehr gefällt.

4. Release

Der Tag der Veröffentlichung eines Spiels ist immer ein ganz besonderer, an dem häufig die Korken knallen. Zum Release zähle ich allerdings auch das Review-Embargo, das häufig vor dem eigentlichen Erscheinungstag fällt.

4.1 Reviews

Die Review-Begleitung gehört zu den wichtigsten Aufgaben der PR-Arbeit in der Videospielbranche. Tests sind essenziell, denn sie erfüllen aus PR-Sicht gleich mehrere Ziele:

  1. Interessierte Spieler werden bestenfalls in ihrem Kaufwunsch durch eine neutrale Quelle bestätigt.
  2. Zuvor uninteressierte Spieler könnten ihre Meinung aufgrund positiver Rezensionen ändern und sich doch zum Kauf entscheiden.
  3. Wer vorher noch nie vom Spiel gehört hatte, kommt nun nicht mehr daran vorbei, wenn sämtliche Fachmedien darüber berichten.
  4. Redet die ganze Fachwelt über ein Spiel, tritt ein „Das muss ich mal gespielt haben, um mitreden zu können“-Effekt ein. Selbst wenn die Kaufentscheidung bei zögerlichen Personen nicht direkt zum Release fällt, kann sie aufgrund positiver und breiter Berichterstattung auch später eintreten, beispielsweise bei einem Sale.

Wie läuft ein Review-Prozess aus PR-Sicht ab? Zunächst geht es um das emsige Erstellen von Listen. Welche Medien sollen wann bemustert werden? Vor dem Release des Spiels werden vor allem professionelle, relevante und vertrauenswürdige Medien bemustert. Der letzte Faktor ist besonders wichtig, immerhin müssen höchste Geheimhaltung bewahrt und Leaks vermieden werden.

Ansprechpartner sind in der Regel die Chefredakteure, welche das Review in ihrem Team aufteilen (oder es an einen Freelancer abgeben) und die Kontaktdaten der Tester bereitstellen. Diese unterzeichnen dann ein NDA samt Embargo-Details, die mal mehr und mal weniger umfangreich ausfallen können und ggf. ein separates Briefing notwendig machen.

Handelt es sich um ein weniger bekanntes Spiel, muss die Chefredaktion erst einmal davon überzeugt werden, dass sich ein Test des Spiels lohnt. Blindes Verschicken von Codes oder Mustern führt zu hohem Streuverlust und nicht selten versanden diese ungespielt im Postfach der Redaktionen. Deshalb lohnt es sich in der Regel, vorher mit den Medien in Kontakt zu treten und nach dem Interesse zu fragen – und dann ggf. Überzeugungsarbeit zu leisten.

Spiele, die einige Zeit zum Durchspielen in Anspruch nehmen und von deren Erfolg die Publisher überzeugt sind, werden häufig früher an die Medienpartner herangetragen – in der Regel zwei bis drei Wochen vor dem Fall des Review-Embargos. So haben die Journalisten genügend Zeit, alle Aspekte des Spiels detailliert unter die Lupe zu nehmen und einen hochqualitativen Test zu verfassen. Zudem verfügen Print-Outlets damit über genügend Vorlauf für den Druck ihrer Magazine, während audiovisuellen Medien ausreichend Zeit für die Aufnahme und den Schnitt von Videos, Radio- und TV-Beiträgen gegeben wird.

Während der gesamten Zeit ist es ratsam, dass wenigstens einer der PR-Mitarbeiter ebenfalls Zugang zum Spiel hat und diesen auch nutzt, um den Journalisten als Ansprechpartner für Fragen zur Seite zu stehen. Zu bedenken ist, dass es während der Testphase noch keinerlei Tipps, Anleitungen oder Lösungen im Internet gibt, so wie wir es heute gewohnt sind. Da ist der Review-Support aus der PR-Abteilung der einzige Ansprechpartner, sollten die Tester nicht weiterkommen oder Fragen haben.

Die heiße Review-Phase endet mit dem Embargo-Fall. Dieser Zeitpunkt ist stets aufregend, denn dann wird in der PR-Abteilung ordentlich in die Tasten gehauen: Day-1-Reportings sind die Regel, in denen am Ende des Embargo-Tages zumindest ein Executive Summary stehen muss, welches die Anzahl der Reviews, die potenzielle Reichweite, den ersten Wertungsschnitt, ein Sentiment (also eine Übersicht über die positiv und negativ bewerteten Aspekte) sowie eine Auswahl an Highlights samt Zitaten, Screenshots und Awards beinhaltet.

4.2 Streams und Let’s Plays

Auch wenn Reviews mehr Zeit in Anspruch nehmen und besonders im Fall von General-Interest-Medien und Feuilletons zur Königsdisziplin der PR gehören, hat sich ein weiterer Faktor während des Releases in den vergangenen Jahren als nahezu ebenso wichtig etabliert: Streams bzw. Let’s Plays. Vor allem jüngere Konsumenten treffen ihre Kaufentscheidung eher durch das Schauen von Videos ihres Lieblingsstreamers. Um die Meinung der Konsumenten (positiv) zu formen, ist es also notwendig, auch Influencer rechtzeitig ins Boot zu holen.

Auch wenn Influencer-Management mittlerweile ein fester Bestandteil der PR-Arbeit ist, sind Standards immer noch im Aufbau. Die Arbeit mit Influencern – synonym auch Content Creators genannt – ist hochindividuell. Bekanntheit, Persönlichkeit und Vorhandensein eines Managements spielen hier große Rollen und machen den Umgang mit Influencer-Kooperationen sehr divers und spannend.

Die Aufgabe des PR-Managers liegt zunächst darin, die passenden Influencer zu identifizieren, die am Spiel interessiert sein könnten und deren Community zur Zielgruppe gehört. Das Finden der Influencer passiert meist durch einen Mix aus Erfahrung, einem großen Netzwerk (und dessen Pflege) sowie einer gehörigen Portion Recherche. Hilfreich ist hier auch ein guter Kontakt zu den verschiedenen Influencer-Managements, die der PR-Abteilung etwas Kommunikations- und Rechercheaufwand abnehmen können, indem sie ihren Pool an Influencern selbst nach Interesse fragen.

Grundvoraussetzung bei der Influencer-Auswahl ist natürlich, dass die Partner auch markenkonform sind, sprich nicht durch beispielsweise sexistische oder rassistische Kommentare auffallen oder kriminellen Machenschaften nachgehen. Daneben sind weitere Aspekte beim Selektieren zu beachten, von denen ich drei separat aufzählen möchte:

  • Welches Genre präferieren die Influencer? Wie hoch ist also die Wahrscheinlichkeit, dass ihnen das Spiel gefällt? Dazu zählt auch, individuelle Vorlieben zu kennen, um abschätzen zu können, wie das Spiel bei den Influencern abschneiden wird.
  • Wie qualitativ agieren die Influencer? Aktuell besteht eine Werbe-Kennzeichnungspflicht, das bedeutet, dass die Influencer angeben müssen, wenn sie mit dem Spiel bemustert wurden. Aufgrund der offenen Zusammenarbeit sollte also gut überlegt werden, ob die Qualität der Influencer-Inhalte indirekt auch mit der Qualität des Produkts übereinstimmt.
  • Wie aktiv ist die Community? Allein die Followerzahl sagt mittlerweile nicht mehr allzu viel aus; wichtig ist vor allem das Engagement der Fans, sprich die Anzahl der Likes, Kommentare und Interaktionen eines Beitrags. Zudem kann eine kleine, dafür aber hochspezialisierte Reichweite mehr Erfolg bringen als eine disperse Masse an Followern, von denen sich kaum jemand für ein Spiel interessiert – vor allem, wenn es sich um ein Nischenprodukt handelt.

In den meisten Fällen werden die relevanteren Influencer, die sich bereits durch gute Vorerfahrung einen Vertrauensstatus bei der PR-Abteilung erarbeitet haben, einen oder wenige Tage vor dem Fall des Streaming-Embargos bemustert (das Streaming-Embargo fällt mesit gemeinsam mit dem Review-Embargo). Ein wenig Vorlauf gibt ihnen genügend Zeit, die Software ggf. herunterzuladen und zu installieren, damit sie direkt zum Embargo-Fall streamen können. Immerhin ist die Konkurrenz nicht nur lokal, sondern auch international groß – wer zuerst streamt, hat einen klaren Vorteil und die Chance, neue Follower zu gewinnen.

Steht bei einem Spiel eine nicht veränderbare Story im Vordergrund, kann es aber auch ratsam sein, nicht zu viele Influencer zu bemustern und diese eher durch andere Aktivitäten zum Teilen von Inhalten zu motivieren. Andernfalls ist es möglich, dass Fans nach dem Schauen eines Let’s Plays keinen Anreiz mehr haben, das Spiel auch selbst zu kaufen und zu spielen, wenn es abseits der Story keinen nennenswerten spielerischen Mehrwert gibt.

5. Nach dem Release

Auch nach der Veröffentlichung eines Spiels hört die PR-Arbeit nicht auf. Zum Beispiel möchten weitere Medien und Influencer, die zuvor nicht berücksichtigt werden konnten, auch bemustert werden. Das ist je nach Kontingent möglich, oftmals müssen aber auch Absagen erteilt werden. Immerhin gibt es tausende privater Webseiten, Blogs und Micro-Influencer, die sich etablieren und ein Spiel im Austausch für einen Test gerne kostenlos erhalten möchten. Absagen sind hier unumgänglich, denn schließlich muss der Nutzen der Bemusterung auch im Verhältnis zum finanziellen wie zeitlichen Aufwand der PR-Abteilung stehen, zumal ein limitiertes Kontingent eine Selektierung oft unumstößlich machen. Neben der Reichweite ist auch hier die Qualität zu beachten. Schreibt ein privater Blog mit zumindest einer gewissen Reichweite hochqualitative Artikel, kann es sinnvoll sein, diesen in seinem Wachstum zu unterstützen.

Weiterhin werden auch nach dem Release lokale Kampagnen mit Medien und Influencern umgesetzt, um die Abverkäufe weiter zu steigern. Zu weiteren PR-Aufgaben gehören das Versenden von News-Alerts, z. B. bei Patches und neuen Inhalten; das Heraussuchen und Freigebenlassen von Medien-Zitaten für Accolades-Trailer und andere Marketing-Zwecke; das Organisieren von Gewinnspielen, um die Communitys von Medien und Influencern noch einmal zum Mitmachen anzufeuern; das Bekanntmachen von Sales; und zu guter Letzt das Erstellen eines finalen Kampagnen-Reportings.

Dieses nimmt häufig recht viel Zeit in Anspruch, da hier genaue Kennzahlen eingeholt, berechnet und dargeboten werden müssen. Ziel des Reportings ist es, die gesamte Kampagne zusammenzufassen, ihren Erfolg zu bewerten und darauf basierend ein Learning zu formulieren, das für das nächste Projekt mitgenommen werden kann.

Fazit

Die PR-Arbeit gestaltet sich also sehr vielfältig. Wichtig für PRler sind vor allem Kreativität, soziales Geschick, ein gutes Gefühl für Kommunikation, strategisches Denken und eine Kenntnis vom Produkt sowie vom Markt und dessen Medienvertretern. Wer zudem für Texte verantwortlich ist, sollte die Grundlagen vom Schreiben verständlicher, interessanter Texte kennen und selbstverständlich firm in Rechtschreibung und Grammatik sein. Dass das keine Selbstverständlichkeit ist, beweisen zahlreiche mit Fehlern bespickte und furchtbar zu lesende Pressemeldungen, selbst von großen Unternehmen.

Vor allem aber darf sich ein PR-Mitarbeiter nicht auf seinen Erfolgen und seinem Kenntnisstand ausruhen. Die Medienlandschaft befindet sich im ständigen Wandel, Influencer kommen und gehen, Social-Media-Dynamiken können sich abrupt ändern und auch das Konsumverhalten der Endkunden wird dadurch bedingt. Deshalb ist PR-Arbeit auch ein ständiges Lernen und kreatives Neuorientieren, was sie unter anderem so spannend macht.

Wer Fragen hat, Beratung benötigt oder selbst ein PR-Manager in der Videospielindustrie werden möchte, kann sich gerne jederzeit unter kontakt@gamernist.de an mich wenden.